Der Start in meine dritte Legislatur war spannend, intensiv und politisch recht erfreulich. Die Wahlen haben zu einem links-grünen Rutsch geführt, der im Nationalrat grosse Sitzverschiebungen zur Folge hatte. Endlich ist auch der Frauenanteil mit 42% ansprechend. Am ersten Sessionstag wurden zahlreiche neue Parlamentskolleginnen und Kollegen begrüsst, einige kenne ich von früher, andere konnte ich im Rahmen der zahlreichen Anlässe bereits etwas kennenlernen. In dieser Session hat mich meine Nichte Alexandra begleitet, die nach ihrem Studienabschluss ein Parlamentspraktikum absolvierte. Ihr Erfahrungsbericht rundet meinen für einmal etwas kürzeren Bericht ab.

Zu Beginn einer Legislatur gibt es Vieles neu zu organisieren und auszuhandeln: Kommissionen und deren Präsidien, Subkommissionen, Themenschwerpunkte und Zuständigkeiten. Ich freue mich, dass ich weiterhin in meinen Kerndossiers Soziales, Gesundheit und Finanzen politisiere und in den entsprechenden Kommissionen (Soziale Sicherheit und Gesundheit, SGK & Finanzkommission, FK) Einsitz nehme. Zudem habe ich neu die Delegationsleitung der SP-Delegation in der SGK inne.

Die Wintersession stand stark im Zeichen des Budgets und der SGK-Geschäfte, namentlich der Pflegeinitiative und dem indirekten Gegenvorschlag, die mich voll in Beschlag nahmen. Die Diskussionen zum Voranschlag verliefen absolut ruhig und ohne grosse Differenzen zum Ständerat. Es gelang, die Bildungs- und Forschungsgelder aufzustocken. Selbst die Lohnmassnahmen wurden deutlich gutgeheissen, einzig die SVP opponierte.

Nach intensiven Vorarbeiten haben wir in der 3. Sessionswoche die Pflegeinitiative und den indirekten Gegenvorschlag debattiert. Als Mitglied des Initiativkomitees habe ich hier von Beginn weg sehr aktiv mitgearbeitet, den Berufsverband SBK beraten und Netze geknüpft. Auch medial war ich sehr präsent für die Pflegeinitiative. Viele Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen mir, wie wichtig dieses Engagement ist und dass der Wert der Pflege breit erkannt wird. Es ist uns gelungen, ein meines Erachtens recht gutes Projekt für einen indirekten Gegenvorschlag einzubringen. Eine Bildungsoffensive mit wichtigen Unterstützungsmassnahmen für die weiterführenden Ausbildungen ist das Kernstück. Es fehlen einzig griffige Massnahmen zur Erhöhung der Berufsverweildauer durch Verbesserungen im Berufsalltag. Problematisch war ein Störmanöver der Krankenversicherer, die über den Verband curafutura versuchten, die Aufhebung der Versicherungspflicht einzuschleusen. In der Debatte konnten wir – dank vielen gezielt geführten Gesprächen – dies dann abwenden und das eigenverantwortliche Handeln der Pflege mit direkter KVG-Abrechnung durchbringen. Die Volksinitiative schnitt erstaunlich gut ab. Wir hoffen nun, dass die SGK-Ständerat unter der Leitung von Paul Rechsteiner weitere Lösungen für Verbesserungen im Berufsalltag einbringen kann.

 

Einblick in eine andere Welt: Ein Erfahrungsbericht von Alexandra Würgler

Mein erster Tag war bereits etwas holprig. Mein Badge war aus kommunikationstechnischen Gründen nicht vorhanden. Folglich kam ich nicht ins Bundeshaus. Ab dem zweiten Tag war das Problem behoben und mein Praktikum begann. Als ich am Dienstag um acht Uhr im Bundeshaus erschien, war Barbara Gysi bereits seit einer Stunde in Sitzungen unterwegs und bei meinem Feierabend um 20 Uhr ging sie weiter zum nächsten Event. Dies war nicht ganz jeden Tag so, jedoch war es die Regel. Was jeweils interessant war, war die Sicherheitsmaschine. Je nach Tagesform und Standort – eine bessere Erklärung ist mir bisher nicht eingefallen – piepte die Schleuse jeweils bei meinem Gurt, bei den Stiefeln, oder bei nichts. Meine Wasserflasche musste beim Eintreten ins Bundeshaus leer sein.

Einarbeitungszeit benötigte auch die Sprache im Bundeshaus – und dabei meine ich Deutsch. Mir schien es, als begegnete ich einem Buchstabenchaos: Parlamentarier*innen benutzen oft und gerne Abkürzungen. FK, NR, WBF, SPK, SGK… Zusätzlich waren mir viele Begriffe und deren genaue Bedeutung, z. B. Delegationsleitung, Minderheit, Einzelantrag, neu. Inzwischen bin ich mit den meisten Ausdrücken vertraut und benutze sie selber. Gewöhnungsbedürftig war ebenfalls das Erkennen, wann ich jemanden duzen, respektive siezen sollte. Grundsätzlich galt, alle SP Mitglieder sowie diejenigen Personen, die Barbara Gysi duzte, oder denen sie mich vorstellte, zu duzen. Ansonsten nicht. Dies führte dazu, dass ich mich entspannt mit einem HR-Verantwortlichen von fedpol unterhielt, während ich mich einer anderen Person unbeabsichtigter Weise nur mit Vornamen vorstellte, die dann etwas verwirrt aber gelassen mit «Thomas» antwortete.

Aus politischer Sicht besonders spannend fand ich die Debatte innerhalb der SP Fraktion um den indirekten Gegenvorschlag zur Burkainitiative der SVP. Die Initiative will Frauen das Tragen von Burkas oder Niqabs verbieten, unter anderem mit dem Argument der Gleichstellung. Freundinnen von mir, die sich für das Tragen verschiedener Formen von Kopftüchern entscheiden, tun dies einzig aufgrund ihrer persönlichen Wahl. Und wie viele Leute meines Freundeskreises sind auch sie meist entschiedene Feministinnen. Wir leben in einem freien Land, in dem auch die Kleiderwahl individuell sein sollte. Als Staat den Frauen nun vorschreiben zu wollen, was sie in der Öffentlichkeit, oder was sie nicht, zu tragen haben, finde ich unakzeptabel und ganz sicher nicht unterstützend für ihre Unabhängigkeit. Der indirekte Gegenvorschlag, der von der SP initiiert wurde, greift das Thema der Gleichstellung auf – allerdings mit erfolgversprechenderen Massnahmen zur Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter in der Gesellschaft – im Gegensatz zur Alibibegründung der SVP.

Dramatisch waren die Bundesratswahlen: nicht das Resultat an sich, das war zu erwarten, aber der ganze Trubel rundherum. In der Wandelhalle und in den Vorzimmern, sprich direkt ausserhalb des Nationalratsaals, war es anspruchsvoll, die Kameras zu vermeiden. Verwirrung bezüglich NR Barbara Gysi und NR Greta Gysin war ebenfalls vorhanden, beispielsweise kam es zu einer Verwechslung einer Medienanfrage für ein Interview. Besonders geblieben ist mir an diesem Mittwoch allerdings nicht die Wahl an sich, sondern der atemberaubende Sonnenaufgang bevor.

Interessant war zu lernen, dass die Parlamentarier*innen eine Art «Göttisystem» innerhalb ihrer Fraktionen haben, welches den neu gewählten Mitgliedern den Einstieg erleichtern soll. Die Vorteile dahinter sind mir nun klar. Während meiner Zeit im Bundeshaus erhielt ich direkte Einblicke in die Prozesse und Sitzungen der Legislative, welche sonst so der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Abschliessend kann ich sagen, dass mein Praktikum extrem spannend und lehrreich war.

 

Nach dieser ereignisreichen Wintersession freuen wir uns nun auf ruhigere Festtage und wünschen frohe Festtage und alles Gute für das kommende Jahr.