WIL SP-Politikerin Barbara Gysi will ein zweites Mal den Einzug in den Nationalrat schaffen
Am 18. Oktober wählt die Bevölkerung ihre Vertreter in Bundesbern. Die Wiler SP-Politikerin Barbara Gysi tritt bereits zum zweiten Mal an. Gelingt die Wahl, will sie sich für Arbeitsplatzsicherheit, einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen und eine faire Steuerpolitik einsetzen.
Bild: Stefan Feuerstein
SP-Nationalrätin Barbara Gysi tritt zum zweiten Mal zur Wahl an. In Zukunft will sie sich beispielsweise für die Wiedereinführung
des Euro-Mindestkurs und eine schadensfreie Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative einsetzen.
Schon Anfang der 90er-Jahre beschäftigte sich Barbara Gysi als Präsidentin der SP Wil intensiv mit hiesigen Geschäften – als Sozialpolitikerin hauptsächlich in Themenbereichen wie Bildung, Alter und Gesundheit. Zwischen 1997 und 2012 führte sie ihr politisches Engagement in das Stadtparlament beziehungsweise den Stadtrat, wobei sie während sieben Jahren ebenfalls als Vize-Stadtpräsidentin amtete. Parallel dazu politisierte sie während acht Jahren auch im St.Galler Kantonsrat, woraufhin ihr 2011 schliesslich der Sprung in den Nationalrat gelang. Im Interview spricht sie über ihre bisherige politische Tätigkeit, Möglichkeiten zur Einflussnahme im Nationalrat und die aktuelle Situation der Schweiz im internationalen Vergleich.
Sie sind als nationale Politikerin durch diverse Ämter und Mandate sehr häufig unterwegs. Wie stark ist Ihr Bezug zu Wil noch?eines Lebens findet immer noch in Wil statt.»
Wo trifft man Sie denn hier?
«In Wil gehe ich sehr gerne zum Markt. Das Rock am Weier gehört zu meinem festen Jahresprogramm und auch andere kulturelle Anlässe versuche ich immer zu besuchen. Dass ich in der Altstadt wohne, ist kein Zufall – hier gibt es diverse schöne Orte, wo sich die Vielfalt von Wil zeigt.»
Sie waren selber Mitglied des Wiler Stadtparlaments, das sich derzeit mit Skandalen wie der Geschichte um Biorender oder der Affäre um Sarah Bösch beschäftigen muss. Halten Sie das Wiler Parlament heute noch für so glaubwürdig, wie es damals war?
«Ich verfolge nach wie vor, was in Wil passiert – auch im Wiler Parlament. Die jüngsten Vorfälle und dass diese so im Zentrum stehen, bedaure ich sehr. Diese Skandale lenken von der eigentlichen Arbeit der Parlamentarier ab und blenden aus, wie viel sie leisten.»
Welches sind für Sie Themen, die die Schweiz derzeit stark beschäftigen?
«Eines der Hauptthemen ist der starke Franken und seine Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsplatzsicherheit in der Schweiz. Daneben ist auch die Einbettung der Schweiz in Europa ein zentrales Thema, wovon die Bilateralen Verträge eine Facette bilden. Schliesslich ist auch die Finanz- und Steuerpolitik mit der Unternehmenssteuerreform drei ein sehr wichtiges Thema, da diese von grosser Bedeutung für den Finanzhaushalt des Staates ist und mit ihr darüber entschieden wird, ob die internationalen Unternehmen weiterhin derart stark entlastet werden sollen.»
Wieso soll die Bevölkerung Sie oder andere Vertreter der SP wählen?
«Weil die SP eine ganzheitliche und breite Politik betreibt – dies ist auch einer der Gründe, weswegen ich Mitglied der SP bin. Wir setzen uns für soziale Sicherheit, gute Ausbildungen, sichere Renten sowie auch eine intakte Umwelt ein. Chancengleichheit für alle ist dabei einer der zentralen Werte.»
Die zunehmenden Asylanträge beschäftigen viele Schweizer, teilweise ist diesbezüglich in der Bevölkerung viel Unmut spürbar. Wie stehen Sie zu dieser Thematik?
«Wie Flüchtlinge derzeit international herumgeschoben werden, ist für mich eine unschöne Situation. Leute, die hier sind, müssen menschenwürdig untergebracht und behandelt werden. Asylsuchenden muss man mit Herz begegnen – die meisten haben schlimmste Erlebnisse hinter sich. Daneben bin ich auch dafür, dass die Schweiz sich zusammen mit der internationalen Gemeinschaft vermehrt in den Herkunftsländern engagiert, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Da unser Wohlstand teilweise darauf beruht, dass Gewinne bei uns anfallen, müssen wir nun einen Teil davon zurückgeben.»
Welche Veränderungen wollen Sie für die Region Wil bringen?
«Zwar setze ich mich als Nationalrätin vor allem auf nationaler Ebene ein, natürlich überlege ich mir aber auch den Einfluss auf die Gemeinden. So mache ich mich beispielsweise für die Wiedereinführung eines Euro-Mindestkurs stark, da dies im Hinblick auf Stabilität und Sicherheit eine gute Lösung ist – und auch in der Region Wil Arbeitsplätze sichert.»
Wofür wollen Sie sich daneben besonders einsetzen?
«Wir müssen einen Weg finden, die Masseneinwanderungsinitiative umzusetzen, ohne die Bilateralen Verträge zu gefährden. Die EU ist unser wichtigster Handelspartner, darüber hinaus aber auch für den Forschungs- und Kulturaustausch entscheidend. Daneben setzen wir uns bei der SP im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform für die ersatzlose Streichung der Klausel ein, laut der im Ausland erwirtschaftete Gewinne steuerlich massiv begünstigt sind. Es kann nicht sein, dass Unternehmungen eine Sonderbehandlung erfahren und die breite Bevölkerung dies bezahlen muss.»
Einige Politiker linker Parteien werden immer wieder zynisch «Gutmenschen» genannt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie so etwas hören?
«Diese Zuschreibung ärgert mich. Die SP ist alles andere als unkritisch und blauäugig. Wir gehen einer Sache auf den Grund, wägen Vor- und Nachteile ab und entscheiden dann – dies aber nicht kalt und herzlos. Da ich gerne Positives bewirken will, bin ich aber lieber ein Gutmensch als ein Schlechtmensch.»
Sie politisierten während zwölf Jahren im Wiler Parlament, waren acht Jahre im St.Galler Kantonsrat und wollen nun nach vier Jahren im Nationalrat dieses Mandat weiterführen. Welche politischen Ambitionen hegen Sie langfristig?
«Mein Ziel ist es, im Nationalrat einen guten Job zu machen. In der zweiten Legislatur will ich inhaltlich mehr bewegen und mehr zur meinungsbildenden Stimme werden, der man zuhört. Ich will Politik machen, die etwas bewirkt, bei der ich mich selber bleibe.»
Interview: Stefan Feuerstein
Das Interview ist am 13. August 2015 in den Wiler Nachrichten erschienen. Link zum Artikel