Wussten Sie, dass mehr Menschen für die (Nonprofit-)Spitex arbeiten als für die SBB? Mir selber war es nicht bewusst, bis ich das Buch „Puzzeln mit Ananas. Menschen der Spitex erzählen“ von Pascale Gmür in der Hand hatte. Ich bin tief beeindruckt davon. Auch wenn ich mich seit langem mit der Gesundheitsversorgung befasse und mich für die Pflege einsetze, bietet das eben erschienene Buch einen wohl einzigartigen Einblick in eine Arbeit, auf die wir mit hoher Wahrscheinlichkeit alle einmal angewiesen sein werden, aber von der wir nur wenig wissen. Denn sie findet im Verborgenen statt: Hinter Wohnungs- und Haustüren.
Pascale Gmür kam mit der Spitex in Kontakt, als ihr Vater unheilbar an Krebs erkrankt war und ihre an Demenz erkrankte Mutter mit der Versorgung ihres Ehemanns zunehmend überfordert war. Beeindruckt von der Arbeit der Spitexfrauen, dank denen der Vater zu Hause sterben konnte, führte sie zahlreiche Interviews mit Menschen aus der Spitex, von FaGe-Lernenden bis zu Pflegeexpert*innen und Stützpunktleiter*innen, in ländlichen Gebieten ebenso wie in Grossstädten. Neben zehn Porträts von Spitexpflegenden zeigt sie auf, wie die Spitex in den Bereichen Psychiatriepflege, Demenz, Palliative Care usw. dazu beiträgt, dass Menschen zu Hause bleiben können.
Das Buch ist für mich eine Fundgrube und Ansporn, mich noch mehr für die Pflege einsetzen. Und es müsste Pflichtlektüre sein für jede*n Gesundheits-, Sozial- und Finanzpolitiker*in, damit sie sehen, welch eigentlich unbezahlbare Arbeit die Nonprofit-Spitex leistet, wieviel sie dazu beiträgt, dass Menschen das können, was sie am meisten wollen: Trotz Krankheit so lange wie möglich zu Hause bleiben und dort vielleicht auch sterben. Und dass dank hoch motivierten und Menschen und einer qualifizierten Spitexpflege Kosten gespart werden – indem Spitaleinweisungen vermieden und Übertritte ins Pflegeheim verzögert werden.
Apropos Kosten: Die Lohnsumme bei der SBB beträgt über 4 Miliarden Franken, die bei der Spitex 1.9. Der Anteil der Spitex an den gesamten Gesundheitskosten macht etwa 3 Prozent aus. Trotzdem – und ungeachtet der Strategie „Ambulant vor Stationär“ will der Bundesrat die Beiträge der Kassen an die Spitex per 1.1.2020 um 3.6% kürzen, wie er eben bekannt gegeben hat. Es würde zuweit gehen, diesen unverständlichen Entscheid hier ausführlich zu kommentieren. Aber als Wähler*innen und Stimmberechtigte können Sie Gegensteuer geben, auch auf Gemeinde- und Kantonsebene. Wehren Sie sich, wenn Sparmassnahmen bei der Spitex ansetzen. Setzen Sie sich für Ihre lokale Spitexorganisation ein. Sie könnten schon morgen auf die Spitexfrauen (und wenigen -männer) angewiesen sein.

Pascale Gmür
Puzzeln mit Ananas
Menschen der Spitex erzählen
Hier und jetzt, Baden
978-3-03919-477-3