Seit einem Jahr bestimmt die Covid-Pandemie unser Leben. Diese weltweite Gesundheitskrise hat auch weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Die Menschen, die unser System aufrechterhalten, arbeiten an der Grenze ihrer Belastung und setzen sich täglich Risiken aus. Andere leiden an existenziellen Sorgen und müssen zusehen, wie ihr Lebenswerk den Bach runter geht. Virenvarianten und steigende Infektionszahlen beherrschen die aktuelle Lage, die Impfungen und bessere Behandlungsmethoden geben neue Hoffnung. Mitten drin fand die Frühlingssession statt. Eine verrückte Session, in der ich ein grosses Highlight, aber auch einen absoluten Tiefpunkt der parlamentarischen Arbeit erlebte. Ich beginne mit dem Positiven.

 

Stärkung der Pflege und eine Ausbildungsoffensive für mehr Pflegefachleute

Hohe Akzeptanz geniesst der indirekte Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative. Der Wille des Parlaments, der Pflege die Wertschätzung zu zeigen, dass ihre Arbeit von grosser Bedeutung ist, und auch echte Verbesserungen zu beschliessen, war spürbar. Ich bin stolz und zufrieden, dass wir nach vielen Stunden Debatte eine gute Vorlage verabschiedet haben. In den letzten Wochen hatten wir in zig Videocalls und Telefongesprächen nach einer Lösung gerungen, um die letzten beiden, aber inhaltlich grossen Differenzen zwischen National- und Ständerat zu bereinigen. Am Schluss konnten wir eine Formulierung für die eigenständige Anordnung und Abrechnung von Pflegeleistungen durch Pflegefachpersonen finden, die den Versicherungszwang achtet und dennoch den Bedenken der Mengenausweitung Rechnung trägt. Der Ständerat hat im Gegenzug der verpflichtenden Formulierung bei der Ausbildungsfinanzierung und somit höheren finanziellen Beteiligungen der Kantone zugestimmt.

Das Resultat lässt sich wirklich sehen: Eine Milliarde Franken (Bund und Kantone) soll für die Ausbildung, die Verbesserung der Ausbildungslöhne und für zusätzliche Ausbildungsplätze sowie die Interprofessionalität eingesetzt werden. Entscheidend ist auch die Aufwertung des Berufes: Die Pflege ist im KVG mit der eigenständigen Abrechnungsmöglichkeit endlich kein Hilfsberuf mehr.

Offen ist, ob die Volksinitiative für eine starke Pflege zurückgezogen wird. Denn: Auf Granit gebissen haben wir in Sachen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Doch dazu auf Gesetzesebene etwas zu erreichen, ist fast unmöglich. Hier müssen nun endlich die Spitäler, Pflegeheime und Spitexorganisationen vorwärts machen und Hand für Gesamtarbeitsverträge bieten. Denn es geht um Viel: Die Sicherstellung unserer Gesundheitsversorgung.

 

Gute Gegenprojekte zu Volksinitiativen verabschiedet

Gute Arbeit hat das Parlament bei der Fairpreis-Initiative und der Transparenzinitiative geleistet und mehrheitsfähige indirekte Gegenvorschläge verabschiedet. Inhaltlich können wir in beiden Themen Schritte nach vorne machen. Die ungerechtfertigte Preisdifferenz zum Ausland kostet Schweizer Konsument*innen, Unternehmen und die öffentliche Hand jedes Jahr Milliarden. Das soll nun beseitigt werden. Die Transparenz in der Politik- und Kampagnenfinanzierung wird erhöht werden. Beträge ab 15’000 Franken müssen offengelegt werden. Ein erster wichtiger Schritt. Beide Volksinitiativen dürften wohl zurückgezogen werden.

 

Hitzige Debatten zum Covidgesetz und unwürdige Angriffe

Was die vorberatende Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats und teils auch der Rat bei der Covid-19-Debatte geboten haben, war ein absoluter Tiefpunkt der politischen Ratsarbeit. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wie die WAK nur auf Öffnungen drängte, die epidemiologischen Fakten ausblendete und gar der wissenschaftlichen Task Force das Wort verbieten wollte, war ein Trauerspiel. Die persönlichen und perfiden Angriffe namentlich auf die Führungsfrauen des BAG haben mich zutiefst erschüttert und wütend gemacht. Die längste Parlamentsdebatte war ein unwürdiges Hickhack.

Wir konnten zwar am Schluss die Verlängerung wichtiger Massnahmen beschliessen und einzelne Verbesserungen für Selbständigerwerbende, Kulturschaffende und grössere Firmen erreichen sowie einen Schutzschirm für die Eventbranche. Nicht gelungen ist es die Höhe des Umsatzausfalls zu senken, die zu Härtefallhilfe berechtigt. Das sind wir am Widerstand des Ständerats und der SVP gescheitert. Doch wir bleiben in der Härtefalllogik statt in einer Entschädigungslogik. Und wir agieren zu wenig vorausschauend. Die Volksabstimmung im Juni über das Covid-19-Gesetz wird eine Herausforderung. Es darf kein Plebiszit über die Massnahmen oder das Impfen werden, denn es geht um die gesetzliche Grundlage, dass alle Hilfsgelder weiter ausbezahlt werden können.

Die längste aller Debatten wurde dann mit den Beschlüssen zu den Nachtragskrediten abgeschlossen. Hier gab es nur Widerstand von Seiten der SVP zu einzelnen Nachträgen bei den Bundesämtern für Gesundheit und Statistik. Ich habe sie als Retourkutschen gelesen. Zu später Stunde, um Mitternacht, habe ich als Kommissionssprecherin die Vorlage erläutert. Wir genehmigten rund 14.5 Milliarden für Covid-Massnahmen. Die Diskussion war dann kurz, und um 00.40 Uhr dann endlich Lichterlöschen.

«Aufgearbeitet» haben wir diese zweite Sessionswoche in der Arena, wo die Diskussion – etwas weniger hitzig, aber immer noch kontrovers – weiter ging. Impfstoffbeschaffung, offene Briefe und Gastroöffnung sind ein paar Stichworte unserer Auseinandersetzung.

Schon fast überraschend ist, dass wir entschieden, dass der Bund nun in die Impfstoffproduktion einsteigen kann. Namentlich dank der FDP, die nach ihrem Geschrei und ihrem offenen Brief gar nicht mehr anders konnte und sich jetzt für eine staatliche Produktion einsetzt. Die Zeiten ändern sich.

 

Ständerat bei der AHV auf Abwegen

Mit grossem Interesse habe ich die Ständeratsdebatte zur AHV21 zur Stabilisierung der AHV verfolgt. Die ständerätliche Kommission hatte höchst umstrittene Entscheide gefällt, mit einer sehr tiefen Kompensation für ein höheres Frauenrentenalter und der Erhöhung des Ehepaarplafonds. Im Tagesgespräch auf SRF vor der grossen Debatte hatte ich mit Ständerätin Brigitte Häberli-Koller debattiert. Nachdem ich im Abstimmungskampf zur Altersvorsorge 2020 engagiert für die damalige Vorlage gekämpft habe und erleben musste, wie schwierig es war den Frauen zu erklären, warum sie ein Jahr länger krampfen sollten, bis sie die Rente erhalten, weiss ich: Da braucht es mehr als ein paar Franken an Ausgleichsmassnahmen. Mit der Zusatzfinanzierung aus der Steuer-AHV-Vorlage haben wir etwas Luft. Die Situation der Frauen muss generell verbessert und nicht ihr Rentenalter erhöht werden.

Bereits nächste Woche werden wir in der Nationalratskommission in die Beratung einsteigen. Wir tun gut daran, weitere Einnahmequellen zu prüfen. Erste Anträge haben wir schon eingereicht.

 

Eine dicke Überraschung gab es kurz Schluss der Session. Der Nationalrat hat den Lohndeckel für Bundesbetriebe beschlossen und auf 1 Million limitiert. Das Gesetz geht auf eine parlamentarische Initiative unserer langjährigen SP Nationalrätin von Susanne Leutenegger Oberholzer zurück. Geradezu grotesk ist da, dass die Lohnexsesse in der Finanz- und Pharmabranche weitergehen, wie heute im St. Galler Tagblatt berichtet wird.

 

Zum Schluss der Session habe ich ein kurzes Video für den Abstimmungskampf zum CO2-Gesetz gedreht. Ich säe ein paar Blumensamen* und sehe sie wachsen. Ich wünsche erholsame und blumige Ostern.

 

* Die Samentüte kann hier übrigens bestellt werden.

 

Eingereichte Vorstösse in dieser Session:

21.3092 | Verbesserung der Datenlage in Sachen Gleichstellung in der Bundesverwaltung | Geschäft | Das Schweizer Parlament

21.7138 | Stellenausschreibung ohne Angaben von Lohnklassen | Geschäft | Das Schweizer Parlament

Meine Voten, die ich in der Session gehalten habe, können hier aufgerufen werden.