Wiederum prägte die Covid-19-Pandemie das Politgeschehen und die Session. Zurück im Bundeshaus, umgeben von Plexiglaswänden, debattierten wir zahlreiche Geschäfte oft bis spät in den Abend hinein. Zentrales Geschäft war das Covid-19-Gesetz, das einen Teil der Notverordnungen in allerdings bis 31. Dezember 2021 befristetes ordentliches Recht übernimmt. Wir wurden von Hunderten von Emails und Briefen eingedeckt, die uns vor diesem Gesetz und der Entmachtung warnten. Das sehe ich allerdings nicht so. Dieses Gesetz ist nötig, um wichtige Unterstützungsmassnahmen über die Notverordnungen hinaus zu sichern. Wir hatten das Gesetz in der Sozial- und Gesundheitskommission (SKG) vorberaten und diverse Verbesserungen eingebaut. Der Ständerat sah einiges nicht so und darum ging es zwischen den beiden Räten hin und her. Es wurde an den Formulierungen gefeilt, aber schlussendlich eine gute Vorlage verabschiedet. So konnten wir den Kulturbereich stärken und den Beitrag erhöhen. Aber auch die Eventbranche und der Tourismus werden zusätzlich unterstützt. Verbesserungen gibt es auch für Kleinunternehmer_innen und Selbständigerwerbende.

Ein weiteres Geschäft, das in dieser Session im Dringlichkeitsverfahren von beiden Räten verabschiedet werden musste, war, dass die Auffangeinrichtung der 2. Säule beim Bund ein Nullzinskonto einrichten kann. Dieses Anliegen hatte ich im Frühsommer in der SGK eingebracht, weil die Auffangeinrichtung wegen der Negativzinsen und Corona in Schwierigkeiten ist und deren Deckungsgrad laufend sinkt. Die Auffangeinrichtung muss die Guthaben der beruflichen Vorsorge von Personen, die nicht in einem Anstellungsverhältnis sind, z.B. infolge Erwerbslosigkeit, von Gesetzes wegen verwalten. Wegen der steigenden Arbeitslosenzahlen ist das derzeit zusätzlich eine Herausforderung. Ich habe als Kommissionssprecherin dieses Geschäft vertreten dürfen. Gar ohne Debatte und Abstimmung, weil unbestritten, haben wir Vorstösse und Standesinitiativen zu einer besseren Finanzierung der Kinderspitäler behandelt. Das heisst dann jeweils von der Ratspräsidentin  formuliert «so beschlossen».

Wir behandelten zudem zahlreiche weitere Geschäfte aus der SGK. Einige waren schon im Frühling auf der Traktandenliste und konnten nun endlich weitergebracht werden. So etwa der Adoptionsurlaub, der mir ein grosses Anliegen ist. Denn ich präsidiere schon seit 7 Jahren ehrenamtlich den Verein Pflege- und Adoptivkinder Schweiz, welcher eine Fachstelle betreibt. Allerdings wurden die von mir vertretenen Anliegen, den Adoptionsurlaub von 2 auf 14 Wochen auszudehnen und auch für Adoptiveltern zu gewähren, die Kinder über 4 Jahre aufnehmen, deutlich abgelehnt. Dennoch: 2 Wochen Adoptionsurlaub, der auf beide Elternteile aufgeteilt werden kann, ist ein bedeutender, erster Schritt. Dieses Bundesgesetz geht auf einen parlamentarischen Vorstoss aus dem Jahr 2013 zurück. Es hat so lange gedauert, weil der 2-wöchige Urlaub derart umstritten war, von rechter Seite in der SGK immer wieder blockiert wurde und im Nationalratsplenum «entblockiert» und wieder vorwärts gebracht werden musste. Doch noch muss das Geschäft in den Ständerat. Und wer weiss, wie dort damit umgegangen wird. Der Ständerat zeigt sich leider nicht gerade fortschrittlich, was sozialpolitische Anliegen anbelangt. So versenkte er die Vorlage zur frühen Förderung von Kindern und die Covid-Motion für eine bessere Kitafinanzierung.

Ein schöner Erfolg war, dass sich mein Einsatz für die Gutheissung der St. Galler Standesinitiative «Kein Geld aus der Grundversicherung für Vermittlerprovisionen» gelohnt hat. Wenn man die Krankenkasse wechselt, sollen keine Vermittlerprovisionen mehr bezahlt werden dürfen. So können jährlich 35 Millionen Franken mehr für die Behandlungen eingesetzt werden. Die SGK hatte diese Standesinitiative noch abgelehnt, doch zahlreiche Gespräche auch mit den neuen Parlamentarier_innen brachten dann eine klare Mehrheit im Rat. Nun müssen wir noch den Ständerat überzeugen, der dieses Ansinnen ohne Gegenantrag abgelehnt hatte.

Erfreulich ist, dass der Bundesrat mein Postulat «Alters- und Pflegeheime und Wohnheime für Menschen mit Beeinträchtigungen. Aufarbeitung der Corona-Krise» gutheisst und bereit ist einen einen Bericht über die Situation und die Aufarbeitung vorzulegen.

In eine weitere Runde ging es beim indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative. Der Nationalrat hat den Gegenvorschlag wieder auf Kurs gebracht. Deutlich haben wir an unserem Vorschlag festgehalten, dass die Kantone verpflichtend mehr in die Ausbildung der Pflegefachpersonen investieren müssen. Ebenso klar haben wir das Ansinnen des Ständerats, den Pflegefachpersonen das eigenverantwortliche Handeln und vor allem die direkte Abrechnung mit den Krankenkassen nur unter einer unannehmbaren Bedingung zu gewähren, abgelehnt. Der Ständerat war dem Druck der Krankenkassenlobby erlegen und hatte hier eine vorangehende Vereinbarung mit den Kassen gefordert. Damit würde der Vertragszwang – die Verpflichtung, dass die Krankenkassen grundsätzlich mit allen abrechnen müssen – gelockert. Schon für die Kommissionssitzung hatten wir zahlreiche Gespräche geführt, um sicherzustellen, dass wir wieder eine Mehrheit erreichen. Zudem versuchten wir darüber hinaus noch Verbesserungen zu erwirken. Leider erfolglos: trotz dem ausserordentlichem Einsatz des Pflegepersonals in der Coronakrise und dem erwiesenem Bedarf nach besseren Arbeitsbedingungen konnten wir nicht mehr erreichen.

Einige grosse und wichtige Botschaften wurden in dieser Session diskutiert. Die Kulturbotschaft und die BFI-Botschaft (Bildung, Forschung und Innovation) sowie die Berufsbildung. Dabei handelt es sich um Vorhaben für die nächsten vier Jahre. Das sind immer wichtige Grundlagengeschäfte mit wichtigen Weichenstellungen. Bei der Kulturbotschaft konnte erstmals verankert werden, dass Netflix und Co. eine Abgabe für die einheimische Filmförderung leisten müssen, allerdings fällt sie deutlich tiefer aus, als vom Bundesrat vorgesehen. Bei der Bildungsbotschaft und für die Berufsbildung konnten einzelne Kredite aber sogar erhöht werden.

In der Legislaturplanung gibt jeweils einen politischen Gesamtüberblick. Die Ratsdebatte schärfte die Ziele im Bezug auf Digitalisierung und den Klimawandel. Erfreulicherweise fanden unsere Bemühungen eine Mehrheit, dass die Coronaschulden weder zu Sparprogrammen noch zu Steuererhöhungen führen sollen.

Zum Schluss wurde es dann nochmals hochpolitisch. Einerseits durch das Camp der Klima-Jugend auf dem Bundesplatz und andererseits, als wir die 99%-Initiative der Juso debattierten. Diese Forderung provoziert naturgemäss auf bürgerlicher Seite. Obwohl nach den vielen langen Sitzungen alle etwas müde waren, wurde es nochmals «sehr lebendig». Ich bin überzeugt, dass die 99%-Initiative punkto Vermögensbesteuerung und Steuern auf höchsten Einkommen etwas ins Rollen bringen wird.

Gespannt auf den Ausgang der Wahlen in Wil und der Abstimmungen am Sonntag fahre ich nach Hause, danach geht es noch ein paar Tage mit den Wanderschuhen an den Füssen ins Tessin. Ich wünsche allen schöne Herbsttage.