Die CVP-Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ zeigt ein rückständiges Gesellschaftsbild und führt zu Milliarden-Ausfällen in der Bundeskasse. Sie verhindert jede zukünftige Öffnung der Ehe für alle, also auch für gleichgeschlechtliche Paare, und blockiert den Weg zur Individualbesteuerung für die nächsten Jahrzehnte.
Die CVP will mit ihrer Initiative in die Verfassung schreiben, dass allein die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau als Ehe zu gelten hat. Die CVP diskriminiert damit hunderttausende gleichgeschlechtlicher Paare und blendet die gesellschaftlichen Veränderungen und neue Familienformen völlig aus. Andere sexuelle Orientierungen, Konkubinat und Patchworkfamilien kommen in ihrem Weltbild anscheinend nicht vor. Die CVP torpediert damit auch die Bemühungen für eine „Ehe für Alle“ oder „Ehe light“.
Die steuerliche Besserstellung traditioneller Ehepaare, wie sie die CVP verlangt, kommt uns erst noch sehr teuer zu stehen. Bund, Kantone und Gemeinden verlieren 2 bis 3 Milliarden Franken Steuereinnahmen pro Jahr, obwohl lediglich rund 80’000 Ehepaare oder Familien davon profitieren werden. Die CVP-Initiative entlastet damit in erster Linie wohlhabende Ehepaare. Diese Steuererleichterungen sind überholt, denn in vielen Kantonen wurden in den letzten Jahren die Steuergesetzgebungen angepasst und Ehepaare gleich oder gar bessergestellt.
Gleiches gilt für die Sozialversicherungen: Auch dort gibt es unter Berücksichtigung aller Komponenten keine Schlechterstellung der Ehepaare. Dies hielten der Bundesrat und die Finanzkommission in der Debatte fest.
Wirklich gravierend ist hingegen, dass die neue Verfassungsbestimmung die Individualbesteuerung verunmöglicht. Die individuelle Besteuerung, unabhängig vom Zivilstand, ist sie die gerechteste Besteuerungsform.
Leider verweigerte sich die CVP in der Debatte einem Gegenvorschlag und zieht es vor, dieser Initiative grosse Einnahmenausfälle zu riskieren und überholte Wertvorstellungen zu zementieren. Lehnen Sie darum wie der National- und Ständerat diese diskriminierende Initiative ab.
Dieser Text ist am 9. Januar 2016 in verschiedenen Schweizer Tageszeitungen, zb. Südostschweiz, erschienen.