Die Altersvorsorge ist unter Beschuss. Bundesrat und Parlament wollen mit dem fadenscheinigen Argument der Gleichstellung die Finanzierungslücke in der AHV in erster Linie durch die Frauen mit der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre durchdrücken. Das soll aber nur der erste Schritt sein bei der Rentenaltererhöhung.
Mit Powerlobbying torpediert die Finanz- und Versicherungsbranche den ausgewogenen Kompromiss bei der beruflichen Vorsorge und fordert zudem schamlos einen Ausbau des privaten Sparens in der 3. Säule. Diese unsozialen und unsolidarischen Projekte und die zunehmende Privatisierung der Altersvorsorge bekämpfen wir erbittert. Die finanzielle Schlechterstellung der Frauen in der Altersvorsorge beträgt über 60 Prozent; die jüngste Medienmeldung im Januar 2022 zeigt auf, dass der Gender-Pension-Gap noch grösser geworden ist und die 2. Säule-Renten der Frauen um durchschnittlich 900 Franken schlechter ist als die der Männer. Der Handlungsbedarf ist gross, doch die Lösungen für Verbesserungen für die Frauen werden auf die lange Bank geschoben. Wenn sie dann kommen, müssen sie dann zu einem grossen Teil von den Frauen über zusätzliche Lohnabzüge selbst finanziert werden.
«Selber Finanzieren» ist die Losung der bürgerlichen Mehrheit in Bundesbern. Schleichende Privatisierung der Altersvorsorge und Privatisierung der Finanzgewinne der Finanz- und Versicherungsbranche nenne ich das. Warum? In der Wintersession 2021 wurde die Reform der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge (BVG) im Nationalrat in Angriff genommen. Ein Powerlobbying der Banken, allen voran der UBS, und der Versicherungsbranche ging dem voran. Der austarierte Kompromiss, den die Sozialpartner ausgehandelt hatten und den der Bundesrat übernahm, wurde zerpflückt und die solidarischen Elemente herausgebrochen. Die Umwandlungssatzsenkung im BVG-Obligatorium sollte durch einen Lohnzuschlag für alle finanziert und Rentenzuschläge für alle damit finanziert werden. Von den Rentensenkungen sind alle betroffen, viele haben bereits in den Vorjahren durch Umwandlungssatzsenkungen in ihren Pensionskassen massive Einbussen erlitten. Dieser Kompromiss passt der Finanzbranche nicht. Gleichzeitig drückten sie in dieser Vorlage auch noch höhere Einzahlungen für die 3. Säule durch und in der 2. Säule sollen bei einer Pensenreduktion zusätzliche Einzahlungen möglich sein – zwei Mittel zur Steueroptimierung von Gutverdienenden.
Der Druck auf das Parlament war maximal und ging über das übliche Mass mit E-Mails und Briefen hinaus. Kolleg*innen berichteten mir, dass sie in Einzelgesprächen hart angegangen wurden. Die Banker scheuten auch nicht davor zurück, zu behaupten, dass gewisse Personen das Gespräch verweigert hätten, obwohl sie zuvor sehr wohl miteinander gesprochen hatten. Das Powerlobbying führte dazu, dass die Vorlage kippte. War vor der Sommerpause 2021 der Bundesratsvorschlag noch knapp mehrheitsfähig, war er das nach den Sommerferien nicht mehr. Bei der FDP hatten die welschen Vertreter die Position gewechselt. Noch schlimmer dann die Wintersession: Da kippte auch die GLP, die in der Kommission noch zu vermitteln versuchte und mit uns stimmte. Die Debatte im Erstrat brachte dann die erwarteten Abbruch-Beschlüsse. Gekürzte Rentenzuschläge, die nur noch einem Bruchteil der BVG-Rentner*innen zugutekommen. Wer nur schon wenig über dem Obligatorium versichert ist, ist geprellt. Betroffen sind auch viele Frauen mit Teilzeitpensen und Minipensionskassenlösungen. Zudem werden die Zuschläge nicht mehr zentral finanziert, was einkommensschwache Branchen benachteiligt. Unsere Bemühungen für Lösungen in diversen Gesprächen scheiterten. Mitte-Rechts hat sich dann aber auf die Seite der Finanzbranche geschlagen. So hat die BVG-Vorlage keine Chance.
Die Frauen sind bei den Vorlagen zur ersten und zweiten Säule die grossen Verliererinnen. Die versprochene Besserstellung im BVG, mit der man ihnen die Rentenaltererhöhung «schmackhaft» machen wollte, wird nicht realisiert. Die Rentenlücke in der Altersvorsorge bleibt riesig und beträgt gesamthaft rund 14 Milliarden jährlich. Die Lohngleichheit, also die zentrale Forderung der Frauenbewegung, wird nach wie vor nicht umgesetzt und kostet die Frauen jährlich rund 90 Milliarden. Zum Dank, dass viele Frauen in der Coronapandemie den Alltag gestemmt, die Kinder im Homeschooling betreuten, ihre Pensen in der Pflege erhöhten und generell zwei Drittel der unbezahlten Care-Arbeit leisten, sollen sie jetzt auch noch für die finanziellen Herausforderungen der AHV bezahlen und ein Jahr länger schuften, bis sie in Rente gehen können.
Da machen wir nicht mit und bekämpfen deshalb AHV21 an der Urne. Wir engagieren uns für anständige Renten und eine sichere AHV.
Dieser Text ist im links der SP Kanton St. Gallen 1/2022 erschienen.