Für einmal fand das Hauptereignis nicht in der Session, sondern am Abstimmungssonntag am 3. März statt. Die klare Annahme der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente war ein bewegender und historischer Moment. Während der Kampagne spürten wir die starke Unterstützung, aber bis am Abstimmungssonntag blieb die Spannung, ob es auch für das Ständemehr reichen würde. Unsere Freude über diesen wichtigen sozialpolitischen Fortschritt war riesig und das Resultat ein klares Zeichen, dass der Kaufkraftverlust bis weit in den Mittelstand drückt. Die Umsetzungsdiskussionen begannen sogleich und legten offen, dass viele Bürgerliche das Resultat nur schwer akzeptieren können. Parallel läuft auch die Debatte zu Abbauprojekten wie der Streichung der AHV-Kinderrenten, die der Nationalrat gutgeheissen hat, und dem massiven Abbau bei den Witwenrenten. Zu diesem Thema finalisierten wir in den letzten Tagen die Vernehmlassungsantwort unserer Partei an den Bundesrat. Der Abbau bei den Witwenrenten und insbesondere die extrem kurzen Übergangsfristen finde ich krass und es erreichen mich viele, auch sehr persönliche Zuschriften dazu.

So gross die Freude über den nationalen Abstimmungssieg war, so wenig erfreulich waren die kantonalen Wahlergebnisse. Die Mobilisierung für die 13. AHV-Rente führte zu einem grossen Zuwachs der SVP im St. Galler Parlament und zum überraschend guten Abschneiden der SVP-Regierungskandidierenden. Ich werde mein Möglichstes beitragen, damit das sozial-ökologische St. Gallen weiterhin mit zwei Sitzen vertreten ist. Mit der Fraktionspräsidentin Bettina Surber haben wir eine sehr erfahrene und kompetente Kandidatin.

Die Session in Bern war wiederum reich befrachtet und wie immer fokussiere ich mich auf die Geschäfte, in die ich besonders involviert bin.

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Mit Digisanté lanciert der Bund ein umfassendes Digitalisierungsprojekt im Gesundheitswesen. Ein Kredit von 400 Millionen Franken über die nächsten 10 Jahre soll mit 50 Einzelprojekten die Digitalisierung endlich voranbringen und gut vernetzte und miteinander agierende Systeme schaffen. Umstritten waren dabei die Personalkosten. Eine knappe Mehrheit der Finanzkommission und die SVP wollten, dass sämtliche dafür nötigen Stellen innerhalb des Innendepartements kompensiert werden müssen. Das würde massive zeitliche Verzögerungen, einen grossen Knowhow-Verlust und zusätzliche Kosten verursachen. Das Ansinnen wurde dann zum Glück klar abgelehnt.

Viel zu reden und Verhandlungen bis hin zur Einigungskonferenz gab ein Kreditbegehren von 30 Millionen Franken, um das Elektronische Patienten-Dossier (EPD) zu pushen. Während der Ständerat den Kantonen keine Auflagen zur Systemwahl machen wollte, verlangte der Nationalrat schon in dieser Phase eine Verpflichtung für alle ambulanten Leistungserbringenden, was viel Widerstand provozierte. Der Bundesrat will die  Verpflichtung zum Anschluss für alle Leistungserbringenden in der Revision des EPD-Gesetzes, welche noch dieses Jahr in die Kommission kommt, fixieren. In der Einigungskonferenz, die ich präsidierte, setzte sich die Ständeratshaltung durch. Im Nationalrat gab es dazu einen äusserst knappen Entscheid.

Verfassungswidrige Umsetzung des Volksentscheids zur Tabakwerbung

Nicht weniger umstritten war die Umsetzung der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Der Ständerat hat die Gesetzesvorlage des Bundesrats bereits massiv verwässert und, wie zwei Rechtsgutachten zeigten, mit verfassungswidrigen Elementen versehen. Die Volksinitiative hatte den Begriff der Werbung bewusst breit definiert und so stand es auch im Abstimmungsbüchlein, dass Sponsoring und Promotion unter den Werbebegriff fallen. Die nationalrätliche Gesundheitskommission ging unter dem Druck der Tabaklobby gar noch weiter und wollte weiterhin Werbung in abonnierten Zeitungen/Zeitschriften mit weniger als 5% minderjähriger Leserschaft (dazu gehören zum Beispiel die Schweizer Illustrierte und Sonntagszeitungen) zulassen. In meinen Ausführungen forderte ich eine verfassungskonforme Lösung, was prompt eine SVP-Nachfrage provozierte. Der Nationalrat folgte seiner Kommission. Weil es dann bei den schlimmsten dieser Bestimmungen keine Differenz zum Ständerat mehr gegeben hätte, lehnte die linksgrüne Seite das Gesetz in der Gesamtabstimmung (nach der ersten Beratung im Rat) ab. Zusammen mit der SVP ergab das eine Mehrheit. Das bedeutet faktisch ein «Nichteintreten» und die Folge davon ist, dass der Ständerat noch einmal grundsätzlich über Eintreten und alle Artikel beraten muss. Wir hoffen, dass die Gesundheitskommission des Ständerats in neuer Zusammensetzung vernünftiger und verfassungsmässig handeln wird.

Sozialpolitische Geschäfte

In der Sozialpolitik behandelten wir verschiedene kleinere Geschäfte. Wie schon in der Kommission habe ich unsere Haltung zur Erweiterung der Zwecke patronaler Wohlfahrtsfonds vertreten. Diese Fonds der sozialen Absicherung und Vermeidung von Notlagen sind historisch gewachsen und auch nach der Einführung von AHV und BVG bestehen geblieben. Allerdings kann nur ein Bruchteil der Arbeitnehmenden davon profitieren, weil insgesamt nur wenige Firmen über solche Fonds verfügen. Während der Pandemie entstand der Wunsch, deren Zwecke zu erweitern und auch Aus- und Weiterbildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Gesundheitsförderung mitzufinanzieren. Wir unterstützten, auch wenn wir einige steuerrechtliche Bedenken haben. Mein Antrag, dass die Nebenzwecke volumenmässig die Hauptzwecke nicht übertreffen dürfen, fand allerdings keine Mehrheit.

Als Kommissionssprecherin vertrat ich das Kommissionspostulat, das die Erweiterung der Hilflosenentschädigung zu einer Betreuungsentschädigung prüfen soll. Der Bundesrat hat sich dagegen gewehrt, doch die ungeklärte Finanzierung der Betreuung muss dringend angegangen werden. Von verschiedener Seite kommt diese Thematik immer wieder, so hatte ich beispielsweise letztes Jahr am Demenz-Meet in St.Gallen einen intensiven Austausch dazu.

Bis zum Schluss hoffte ich auf einen Erfolg in Sachen Versicherungsvermittlergebühren bei den Krankenkassenprämien. Nachdem das Parlament eine auf Freiwilligkeit beruhende Branchenlösung akzeptiert hatte, zeigt nun die Realität, dass nicht mal diese Minimallösung funktioniert. Ich hatte deswegen in der Herbstsession eine Motion eingereicht, die eine verbindliche Lösung fordert. Der Bundesrat war bereit, die Motion anzunehmen, doch leider wurde sie von einem SVP-Exponenten bekämpft. Es gab eine kurze Debatte, doch wurde die Motion leider dann doch abgelehnt. Enttäuschend, denn hatte ich doch während der Session diverse Kontakte, auch zur Krankenkassenbranche, die meinen Vorstoss im Grundsatz begrüssen.

Umfassende Gesetzgebung zum Zoll und Grenzschutz

Eines der ganz grossen Geschäfte dieser Session war dieses neue Gesetz, das im Zuge der Digitalisierung des Zolls entstanden ist. Als Präsidentin des Bundespersonalverbands habe ich seit längerem vertiefte Kontakte und auch die Anliegen der Angestellten im Vorfeld einbringen können. Was jedoch das Berufsbild der neuen Fachspezialist:innen Zoll und Grenzsicherheit angeht, sind bereits im Vorfeld viele Entscheide gefallen. Persönlich finde ich den Ausbau ihrer Kompetenzen, zum Beispiel zur Abnahme von DNA sehr bedenklich.

Umweltschutzgesetz zulasten Gesundheitsschutz

Mit der Gesetzesänderung sollten die Planung und der Bau von Wohnungen besser mit dem Lärmschutz abgestimmt werden. Doch wurde der Lärmschutz weiter aufgeweicht. Das geht auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung, was mich als Gesundheitspolitikerin sehr besorgt. Neu soll Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen aus Lärmschutzgründen nicht mehr möglich sein. Das ist unverantwortlich und ignoriert die Bedürfnisse der Bevölkerung.