Die Wintersession stand für mich im Zeichen von Corona und Budgetbeschlüssen mit vielen Nachmeldungen. Als unerträglich und unverantwortlich erlebte ich das Lobbying, um möglichst lange die Beizen und alles offen zu halten, obwohl die Spitäler und das Gesundheitswesen längst am Anschlag sind. Es bedrückt mich zunehmend, wie wir mit der zweiten Welle umgehen und stärkere Massnahmen herausgezögert werden, während in den Spitälern und Heimen unzählige Menschen sterben, das Personal überlastet ist und teilweise sogar krank zur Arbeit gehen muss.
Wichtig waren aber auch andere gesundheitspolitischen Debatten zum Tabakproduktegesetz, dem Cannabisarzneimittelgesetz und wiederum die kostendämpfenden Massnahmen. Dazu später mehr.
Viele zusätzliche Kommissionssitzungen, sowohl in der Finanzkommission wie auch in der Gesundheitskommission, füllten Mittagspausen und Abende. Wo sonst Wahlfeierlichkeiten stattfanden, wurde jetzt Sitzungszeit eingeplant. Der neue Nationalratspräsident brachte uns Schüler*innen seines Dorfs indirekte ins Bundeshaus, die uns buntbemalte Blumentöpfe gestalteten, die als Vogelhüsli dienen. Jetzt sind sie im ganzen Land verteilt sind. Bei meinem knabbern zu Hause die Wiler Singvögel Winterfutter. Ein weiteres Stück Ämmital brachte er mit seiner Einladung für einen Käseteller im Bundeshausrestaurant mit.
Voranschlag und Covid-Kredite
Trotz den grossen Herausforderungen und Milliardenentschädigungen für die Wirtschaft wegen der Covid-19-Pandemie erlebte ich die inhaltliche ruhigste Budgetdebatte, seit ich im Parlament bin. Nur wenige Kürzungsanträge und die üblichen Erhöhungen in der Landwirtschaft von den Bauervertretern und im Bereich Bildung, Forschung und Innovation von unserer Seite, wurden in der Finanzkommission und anschliessend im Rat eingebracht. Über das Personal wurde wenig gesprochen. Die SVP-Fraktion verlangte im Finanzplan 2022–2024, die Gesamtausgaben schrittweise auf 6 Milliarden herunterzufahren. Dieser Antrag blieb absolut chancenlos, denn er hätte schwerwiegende Konsequenzen und einen Stellenabbau von 300 bis 400 Stellen zur Folge. Der Nationalrat anerkannte, dass der Bundesrat die Personalausgaben seit Jahren stabil hält: Sie betragen immer rund 9,5% des Gesamtbudgets. Für 2021 sinken die Personalausgaben sogar leicht.
Die Finanzkommission hat im Schnellzugtempo eine Vorlage erarbeitet, mit der der Bundesrat ermächtigt würde, Budgetausgaben zu tätigen, falls die Session vorzeitig beendet werden müsste. Dieses Beispiel zeigt, dass wir in der Lage sind, auch rasch neue Gesetze zu erlassen. Anfangs der dritten Sessionswoche berieten wir die 4. Nachmeldung zum Voranschlag, die am Freitag zuvor vom Bundesrat zusätzlich beschlossenen 1,5 Milliarden Finanzhilfe für Härtefälle. Wir wollen generelle Entschädigungen, die über die Härtefallregelung hinausgehen.
Noch schweigt sich der Bundesrat darüber aus, wie er mit diesen Zusatzausgaben umgehen will. Lautbar wurde, dass er sie über zukünftige Einnahmenüberschüsse tilgen will. Damit würde das ordentliche Budget wenig tangiert. Eine vertretbare Lösung. Auch Bürgerliche sehen das so. Denn der Bund verfügt über genügend Mittel, wurden doch in den letzten Jahren über 25 Milliarden Schulden abgebaut und wir haben eine sehr tiefe Schuldenquote.
Covid-19-Gesetz: Durchbruch bei der Kurzarbeitsentschädigung
Viele Stunden debattierten wir über Anpassungen des im Herbst verabschiedeten Covid-19-Gesetzes. Hier wurden wegen der 2. Welle und neuen Krediten diverse Anpassungen nötig. Endlich wurden die Kurzarbeitsentschädigung, wenigstens für die Tiefverdienenden auf 100% erhöht. Dafür haben wir seit dem Frühling gekämpft. Schiffbruch erlitt jedoch die Vorlage zum Covid-Geschäftsmietengesetz, ein Tiefpunkt der parlamentarischen Arbeit. Es ist unverständlich, dass die «Mitte-Partei» zusammen mit der FDP und SVP die Geschäftsinhabenden derart im Regen stehen liessen.
Gesundheitspolitik und Lobbying der Tabakbranche
Unser Gesundheitswesen ist so stark wie wohl noch nie gefordert. Die Universitätsspitäler schlagen Alarm, die Ethikkommission des Verbands der Pflegefachfrauen und -männer lancierte einen Appell, kurz danach Spitex Schweiz. Ich bin mit ihnen im Kontakt und habe in der Fragestunde die Überlastung thematisiert. Und doch sprechen wir über Sparmassnahmen im Gesundheitswesen. Das kann als Widerspruch gesehen werden, muss es aber nicht zwingend sein. Denn es ging u.a. um Einsparungen über vereinheitlichte Pauschalverträge. Unser Versuch, die Patientenrechte zu stärken, wurde in der Differenzbereinigung nun gestoppt. Leider hat der Rat einen Vorstoss von uns, dass mengenabhänige Bonuszahlungen verboten werden, abgelehnt. Damit wären echte Einsparungen ermöglicht und viele unnötige Operationen vermieden worden.
Für viele chronisch kranke Menschen ist die Änderung des Betäubungsmittelgesetz wichtig, mit der verbesserten Anwendungsmöglichkeit von Cannabis als Arzneimittel. Dieses Gesetzesänderung ging ohne grossen Widerstand durch den Nationalrat.
Um einiges mehr zu reden gab das Tabakproduktegesetz, das in einer Neuauflage vorliegt, nachdem es vor einigen Jahren an den Bundesrat zurückgeschickt wurde. Hier geht es darum, den Jugendschutz zu verbessern und wir diskutierten auch über Werbeverbote und -einschränkungen. Auffallend viele Inserate für die E-Zigaretten füllen derzeit die Zeitungen – Zufall oder fällt es einem einfach viel mehr auf? Im Tabakproduktegesetz werden auch E-Zigaretten, Dampfen und Snus abgehandelt. Die Tabak- und E-Zigarettenbranche ist seit längerem heftig am Lobbyieren. Wir haben die laschesten Bestimmungen – und leider bleibt es auch dabei. Ein paar Einschränkungen haben wir durchgebracht. Doch insgesamt ist es enttäuschend. Die Volksinitiative «Schutz der Kinder vor Tabakkonsum», die lanciert wurde, um Druck für ein wirkungsvolles Gesetz zu machen, zeigt wenig Wirkung. Hier wird es dann wohl eine Volksabstimmung brauchen.
Gesellschaftspolitik
Wir diskutierten zum wiederholten Male über Differenzen zum Erbrecht, zur Ehe für alle und Geschlechtsidentität. Hier hat der Ständerat gebremst. Insgesamt gibt es erfreuliche Fortschritte, doch beim Zugang zur Samenspende für lesbische Paare sowie beim Mindestalter von 16 Jahren bei der eigenständigen Entscheidung zur Änderung des Geschlechts werden wir bald nachbessern müssen. Fragen, über die wir möglicherweise an der Urne entscheiden müssen, weil Referenden drohen.
Weitere andere, wichtige Geschäfte wie der Gegenvorschlag zur Pestizid-Initiative, das Geldwäschereigesetz, die Stempelsteuer wurden beraten. Mit nur gerade einer Stimme mehr hat der Nationalrat Eintreten auf die Vorlage zur Abschwächung der Stempelsteuer beschlossen. Ein Steuergeschenk für Banken und Versicherungen, das zu Einnahmenausfällen von mehr als 250 Millionen führen wird. Absolut unverantwortlich, jetzt erst recht.
Die Session endet in einer schwierigen Situation. Die Schweiz erlebt eine der grössten Krisen, die sie je hatte. Unser Gesundheitswesen ist überlastet und wir beklagen sehr viele Todesfälle. Wir sind alle sehr herausgefordert. Doch nur gemeinsam und mit Solidarität kommen wir da hindurch.
Ich wünsche besinnliche Feiertage und viel Zuversicht für das neue Jahr.