In dieser Session gab es wenige Lichtblicke. Einer war die solide Unterstützung der Kulturbotschaft des Bundesrats. Schwierig wurde es schon zu Beginn mit den Entscheiden, die Beiträge an die UNRWA (UNO-Hilfswerk für Palästina) per sofort einzustellen, die Armeezusatzausgaben zu einem grossen Teil mit Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit zu finanzieren und dann in der dritten Woche mit den knallharten Nationalratsentscheiden in der Asylpolitik. Sie zeigen, wie hartherzig in der Entwicklungszusammenarbeit und Flüchtlingspolitik gehandelt wird. Intensiviert wurden auch die finanzpolitischen Diskussionen, angestossen durch den Bericht der Expertengruppe des Bundesrats, der Spar- und Abbaumassnahmen aufzeigt, und der Debatte zur Armeebotschaft. Zu denken gibt mir auch, dass erneut dem Bundespersonal ein grosser Beitrag abverlangt wird. Als Präsidentin des Personalverbands des Bundes, der grössten der Gewerkschaften des Bundespersonals, weiss ich, dass wir hier sehr gefordert sind. Wir arbeiten an Strategien, um unsere Anliegen und vor allem den guten Service Public der Verwaltung aufzuzeigen. Bereits in der Vergangenheit wurden die Einstiegslöhne gesenkt und die Lohnentwicklung verlangsamt, neue Stellen werden trotz vieler neuer Aufgaben nicht geschaffen. Gespannt warten wir auf eine extern durchgeführte Vergleichsstudie der Arbeitsbedingungen beim Bund und in der Privatwirtschaft.

Wir behandelten keine grösseren Sozial- und Gesundheitsvorlagen, aber diverse Kantonsinitiativen und sehr viele Vorstösse. Mein Anliegen, die Kantone zu verpflichten, die Rentner:innen mit der Steuerrechnung auf einen allfälligen Anspruch auf Ergänzungsleistungen aufmerksam zu machen, fand leider keine Mehrheit, obwohl es von verschiedenen Verbänden der Altersarbeit aktiv unterstützt wurde. Im Frühling hatten wir uns in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit von der Akademie für medizinische Wissenschaften (SAMW) ihre Studie und ihren Vorschlag für ein nationales Gesundheitsgesetz vorstellen lassen. Als minimalster gemeinsamer Nenner resultierte in der Diskussion dann ein Kommissionspostulat, das zukünftig mehr gemeinsame Planung und Koordination der Gesundheitsversorgung unter den Kantonen verlangt und auch den Bund mehr einbeziehen soll. Der Bundesrat ist bereit, einen Bericht dazu zu erstellen, womit der Vorstoss ohne Debatte gutgeheissen wurde. Ein weiterer wichtiger Vorstoss unserer Kommission ist eine Motion zu einer besseren Transparenz in der 2. Säule, die trotz Widerstand des Bundesrats, der FDP und Teilen der SVP deutlich angenommen wurde.

Diverse Gespräche führte ich als Kommissionspräsidentin mit dem Sekretariat der Kommission für die Sitzungsplanung des 4. Quartals. Über die Zuteilung der Geschäfte tauschte ich mich auch mit dem Kollegen aus, der die ständerätliche Kommission präsidiert. Es erwartet uns ein dicht bepacktes Programm mit spannenden Dossiers. Wir führen die Differenzbereinigung zum Kostendämpfungspaket 2 fort, wo insbesondere noch eine neu eingefügte Bestimmung zur Rückvergütung bei den umsatzstärksten Medikamenten für grosse Diskussionen sorgt. Mit geschätzten 400 Millionen, die von der Pharmaindustrie an die Krankenkassen zurückvergütet werden müssten, ist das ein substanzieller und wichtiger Artikel. Denn die Krankenkassenprämien steigen auf nächstes Jahr wiederum massiv an. Die vom Ständerat angenommen Vorstösse zur Erhöhung der Franchise und die teilweise Lockerung des Vertragszwangs finde ich die falschen Lösungsansätze. Die Erhöhung der Franchise trifft insbesondere Chronisch Kranke, alte und einkommensschwache Leute. Dass der Ständerat gerade jetzt die Macht der Krankenkassen mit einer teilweise Lockerung des Vertragszwangs vergrössern will, finde ich angesichts der Abstimmung m 24. November über die Einheitliche Finanzierung von ambulant und stationär (EFAS) heikel. Diese Abstimmung ist heftig umstritten. Ich befürworte den Systemwechsel, dass die Kantone neu an die stationären und ambulanten Behandlung mitzahlen müssen. Das führt zu einer gerechteren Finanzierung, eliminiert Fehlanreize und fördert die integrierte Versorgung.

Wir werden auch die Differenzen zum Tabakproduktegesetz beraten, das leider eine äusserst mangelhafte Umsetzung der Initiative «Kinder ohne Tabak» bringt. Neue Geschäfte sind u.a. die Teilrevision der Witwen/Witwer-Renten, ein Thema, das enorm bewegt und zu dem ich sehr viel Austausch mit Betroffenen habe. Viele haben echte Existenzängste, wenn sie die Witwenrenten verlieren. Ich werde mich hier für Verbesserungen und im Mindesten sehr lange Übergangsfristen und Besitzstand einsetzen. Beraten werden wir auch die Finanzierung des Fonds für Asbest-Opfer, das ist ein Anliegen, das vor vielen Jahren Paul Rechsteiner angestossen hatte.

Gespannt haben wir dem Abstimmungssonntag entgegengefiebert. Eine derart klare Ablehnung der BVG-Revision hatte wohl niemand erwartet. Ich war einige Male auf Podien oder Veranstaltungen zu dieser Vorlage, wobei bei uns im Kanton St.Gallen das Interesse etwas weniger gross war, weil der Fokus mehr auf den kommunalen Wahlen lag. Kurz vor dem Abstimmungssonntag hat meine Fraktion drei Vorstösse deponiert, wo wir nach dem Nein rasch anpacken wollen. Für die Motion für die Einführung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften in der 2. Säule bin ich zuständig, denn ich hatte schon in der Debatte einen Antrag dazu eingereicht. Zudem fordern wir einen prozentualen Koordinationsabzug und die zwingende gemeinsame Versicherung bei Mehrfachbeschäftigten, sowie endlich die gesetzliche Verpflichtung des Teuerungsausgleichs im BVG.

Eine sehr lange Debatte führten wir über die Volksinitiative zur Einführung der Individualbesteuerung und den dazu vorgelegten Gegenvorschlag auf Gesetzesebene. Angesichts der 68 Einzelredner:innen, die angemeldet waren, habe ich dann beschlossen kein Votum zu halten. Meine Haltung habe ich in einem «Sessionsvideo» dargelegt (ich vertiefe in jeder Session zwei Themen in kurzen Videos, die ich auf Instagram und Facebook veröffentliche). Die Einführung der zivilstandsunabhängigen Besteuerung ist aus gleichstellungspolitischen Gründen klar angezeigt und der Gesetzesvorschlag gangbar. Einzig die grossen Einnahmenausfälle in der Höhe von einer Milliarde Franken erachte ich als sehr hoch. Diese müssten zum Beispiel durch eine stärkere Progression reduziert werden. Denn Familien sollen nicht nur über das Steuersystem entlastet werden, sondern auch über reduzierte Kita-Tarife.

Ganz am Ende gab es dann doch noch einen minimalen Lichtblick in einem dunklen Himmel: Die SVP hatte im Nationalrat einen unsäglichen Angriff auf das Asylrecht lanciert, im völligen Widerspruch zu Grund- und Menschenrechte, die auch in der Bundesverfassung garantiert sind. Innert 24 Stunden gelang es uns, 120’000 digitale Unterschriften zu sammeln, damit das Recht auf Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene nicht beschnitten wird. Der Ständerat weigerte sich am Mittwoch, darüber zu debattieren und schickte den Vorstoss  in die Kommission zur Vorberatung.

Auch wenn die Kleine Kammer nicht darauf eingegangen ist: Solche Angriffe auf die Menschenrechte, das Völkerrecht und die Bundesverfassung geben mir zu denken… Schliesslich habe wir Parlamentarier:innen alle einen Eid  oder das Gelübde auf die Bundesverfassung abgelegt. Und ich finde es lohnt sich, wieder einmal (mindestens) die Präambel zu lesen:

Das Schweizervolk und die Kantone,

in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen,

geben sich folgende Verfassung…