Rede von Barbara Gysi, Nationalrätin SP/SG, an der Jugendsession SG/AI/AR vom 13. Mai 2017

 

Liebe Jugendparlamentarierinnen und -parlamentarier, liebe Anwesende,

 

Es freut mich sehr, heute die 36. Jugendsession SG/AI/AR zu eröffnen. Es ist schön zu sehen, dass sie sich so zahlreich für die Jugendsession engagieren und sich einbringen. Demokratie lebt nur dann, wenn man sie durch Engagement zum Leben erweckt und das kann man nie zu früh tun. Für aktive Teilhabe ist fast niemand zu jung. Meine persönliche Erfahrung mit dem Thema Jugendparlament hatte ich als Jugendliche. In der 5./6. Klasse hatten wir einen Klassenrat. Dieser Klassenrat war zwar viel kleiner als ihr Jugendparlament und Parteien oder Fraktionen spielten noch keine Rolle. Aber die Grundidee war dieselbe: unsere Lebensrealität gemeinsam gestalten. Der Klassenrat meiner Schulzeit bereitete vieles aus dem Schulbetrieb mit dem Lehrer vor und so konnten wir unsere Schule zumindest teilweise auf unsere Bedürfnisse anpassen und mitbestimmen. Auch wenn mir Hausaufgaben oder Singunterricht nicht erspart blieben, die  ich als Jugendliche gar nicht gemocht habe.

 

In der 6. Klasse war ich ein Jahr Präsidentin des Klassenrates. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Jugendliche schon früh einzubeziehen und sie ernst zu nehmen. In einer Demokratie sollen alle, die von Entscheiden betroffen sind, mitreden und mitentscheiden können.

 

Für mich heisst Demokratie, dass wir uns alle – unabhängig von unserem Background – in der Gesellschaft einbringen und sie mitgestalten können. In allen Lebensbereichen. In unserer Gemeinde, im Kanton oder eben im Jugendparlament. Aber es heisst für mich eben auch, dass wir uns in der Bildung, im Quartier oder auch in der Arbeitswelt einbringen können. Das ist heute leider immer noch weitgehend unmöglich. Heute können wir zwar als volljährige Schweizer und Schweizerinnen in unserem Staat mitbestimmen. In den Bereichen, die uns über unser ganzes Leben beschäftigen, wie in der Bildung oder in der Wirtschaft, können wir aber nicht bestimmen. Warum kann ich meine Gemeindepräsidentin wählen, nicht aber mitentscheiden, ob mein Arbeitgeber einen Produktionsstandort in meiner Gemeinde schliesst, oder nicht? Ich bin überzeugt: Demokratie bewegt die Menschen. Sie alle sind der Beweis dafür. Denn Demokratie bekämpft die Machtlosigkeit und die Ohnmacht. Wer mitentscheiden kann, muss nicht die Faust im Sack machen. Er kann sich einbringen. In der Demokratie setzen sich die Interessen der Mehrheit der Menschen durch – wenn alle und in allen relevanten Bereichen mitbestimmen können. Davon sind wir heute noch weit entfernt. Und deshalb setze ich mich seit Jahren für mehr Demokratie auch in der Wirtschaft ein. Und sie, liebe Jugendparlamentarierinnen und -parlamentarier, machen mir Hoffnung. Nicht, weil ich mit allem was sie vertreten einverstanden bin – nein, andere Meinungen und Streit gehören zur Demokratie –, sondern weil sie zeigen, dass gelebte Demokratie funktioniert.

Dass euch die Arbeitswelt und Bedingungen interessieren und etwas angehen, zeigt auch dass ihr in einem Workshop die 25-Stunden-Woche thematisiert.

 

Nicht Mitbestimmen können – unabhängig davon wie alt sie sind – Menschen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit. Persönlich finde ich das falsch, zumindest auf Gemeindeebene sollte das möglich sein, mit dem Ausländerstimmrecht. Zumindest gibt es einige Gemeinde, so etwa meine Wohngemeinde die Stadt Wil, die einen Partizipationsartikel kennen. Da können Migrant/innen aktiv Themen einbringen.

 

Ich möchte aber auch noch ein anderes, hochaktuelles politisches Thema ansprechen: Die Altersvorsorge 2020. In den letzten Wochen und Monaten wurde viel über die Reform unserer Altersvorsorge diskutiert. Und oft wurde gesagt, diese Reform interessierte die Jungen nicht oder sie sei gar gegen die Jungen. Das glaube ich nicht. Deshalb möchte ich es mit ihnen diskutieren.

 

Die Altersvorsorge betrifft uns alle gleichermassen. Wir alle finanzieren die Renten solange wir noch arbeiten, die Lohnabzüge gehen von unserem Erwerbseinkommen weg, Die Frage Preis – Leistung interessiert darum sehr wohl. damit wir ein würdiges Leben im Alter haben. Genau dieses Prinzip der Generationengerechtigkeit hält die aktuelle Rentenreform hoch und verdient deshalb die Unterstützung der Jungen. Warum? Zuerst müssen wir über die AHV reden. Die AHV, die 1. Säule der schweizerischen Rentensystems, ist gleichzeitig die wichtigste Säule. Weil sie für viele Menschen die einzige Einnahmequelle im Alter ist. Und weil sie so gerecht finanziert ist, wie kein anderes Sozialwerk. Was heisst das: Das Preis-Leistungs-Verhältnis von Einzahlen und Auszahlen ist in keinem anderen Sozialwerk auf der Welt so gut, wie bei der AHV. Das hat einen einfachen Grund: Die AHV wird durch unbegrenzte Lohnbestandteile, 4,2 Prozent Arbeitgeber, 4,2 Prozent Arbeitnehmer, finanziert, während die Renten gedeckelt sind. Das heisst: Wer viel verdient, zahlt viel ein. Wer wenig verdient zahlt wenig ein. Und am Schluss bekommen alle Rentnerinnen und Rentner mehr oder weniger gleich viel. Historisch gesehen, ist dieses System ein riesiger Fortschritt. Die Altersarmut nahm ab. Im Gegensatz zu Ländern ohne oder mit schlechter Altersvorsorge müssen bei uns die Kinder ihren alten Eltern nicht mehr schauen, resp. deren Lebensabend finanzieren.

 

Mit der aktuellen Rentenreform wird genau dieses soziale Säule AHV gestärkt. Die demographischen Veränderungen und der finanzielle Mehrbedarf der AHV wird aufgenommen und über faktisch 0,3 Mehrwertsteuerprozent ab 2021 finanziert. Damit können die AHV-Renten nicht nur gleich behalten werden, sie können auch endlich, nach fast 40 Jahren, wieder der Teuerung angepasst und erhöht werden.

 

Und diese Stärkung der AHV ist bitter nötig. Denn die 2. Säule der Schweizer Altersvorsorge, die Pensionskassen, bringen den Leuten immer weniger. Während in der AHV alle eingezahlten Beiträge direkt wieder an die Rentnerinnen und Rentner ausbezahlt werden, werden die Beiträge bei den Pensionskassen angelegt. Und weil die Erträge an den Kapitalmärkten mehr und mehr sinken, sinken auch die Pensionskassenrenten. Und genau hier setzt die Rentenreform an. Sie senkt zwar den Umwandlungssatz in der 2. Säule, und kompensiert dies dafür bei den AHV-Renten. Auch das hilft den Jungen: Denn bei den Pensionskassen wird im Moment wegen dem viel zu hohen Umwandlungssatz das Geld viel mehr von den jungen Arbeitenden zu den Rentnern umverteilt. Die Altersreform will zwar auch bei der 2. Säule Anpassungen machen und tiefe Löhne und Teilzeitpensen besser absichern. Dies gelingt mit einigermassen vertretbaren Lohnabzügen. Und das ist reichtig, denn wenn die Jungen zu hohe Lohnabzüge haben, dann erschwert das ihren Einstieg ins Berufsleben oder ihr Einkommen wird in der Ausbildungszeit und der Familiengründung zu stark geschmälert.

Die Altersvorsorge 2020 ist also insgesamt eine ausgewogene Lösung, die die Generationensolidarität stärkt.

 

Ich habe das Programm der heutigen Jugendsession angeschaut – und bin beeindruckt. das ist breit und aktuell, birgt aber wohl auch einiges an Auseinandersetzung und Zündstoff.  Meine Ausführungen zur Altersvorsorge werden vielleicht im Workshop Generationenaustausch weiterdiskutiert. Sehr Konkret wird es sicher auch bei der Energiestrategie oder der Mobilität in der Stadt. eher Visionärer dann bei der 25  Stundenwoche. Umgang mit Offenheit und Minderheiten sind angesprochen bei Inklusion und LGBTI, wo vielleicht auch der gestrige Entscheid der Nationalratskommission zur Ehe für alle eingang findet. Ich bin gespannt auf die Forderungen, die ihr heute aufstellt.

 

Liebe Jugendparlamentarierinnen und -parlamentarier, ich hoffe, wie auch immer Sie sich zur aktuellen Fragen wie der Energiestrategie und der Rentenreform stellen, dass sie sich weiter aktiv einbringen und politisch engagieren. Einbringen lohnt sich. Sei es für eine gerechte Altersvorsorge, für die eigenen Arbeitsbedingungen, oder im Klassenrat. Ich wünsche Ihnen eine gute Jugendsession und für ihre Zukunft viele erfolgreiche politische Momente!

 

Ich danke Ihnen, für die Aufmerksamkeit!