Aktuell fordern Angehörige des Gesundheitspersonals in einer landesweiten Protestwoche bessere Arbeitsbedingungen, eine Coronaprämie und mehr Anerkennung und Mitsprache. Und sie haben alles Recht dazu!

Die Protestwoche, zu der eine grosse Allianz aus VPOD, SYNA und dem SBK und anderen Verbänden und Gewerkschaften aufgerufen haben, ist der vorläufig letzte Aufschrei in einer langen Reihe, mit denen auf die miserablen Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmer*innen aufmerksam gemacht wird, denen im Frühling Applaus gespendet wurde. Sie wurden in der ersten Covid-Welle als Held*innen gefeiert, de facto aber waren sie die Bauern in einem zynischen Schachspiel. Das Arbeitsrecht wurde ausgesetzt, damit sie in den Covid-Stationen 12-Stunden-Schichten bolzen konnten und ihre Pausen- und Ruhezeiten nicht mehr eingehalten werden mussten. In Pflegeheimen opferten sie sich auf, damit die Bewohner*innen nicht völlig vereinsamten, weil die Angehörigen ausgesperrt waren. In den stillgelegten Bereichen des Gesundheitswesens häuften sie Minusstunden an und es sah lange danach aus, dass sie diese nacharbeiten müssen, wenn wieder Normalbetrieb läuft. Und auch in der zweiten Welle sind schon erste Forderungen nach Abbau von Gesundheitsschutz und Arbeitsrecht auf dem Tisch.

Aber die Pandemiesituation ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Arbeitssituation im Gesundheitswesen ist auch unter normalen Umständen kaum mehr zu ertragen. Darauf aufmerksam machen die Verbände schon seit Jahrzehnten. Und die Politik? Sie bietet seit ebenso lange nur halbherzig Hand zu einer echten Lösung. Bezeichnend dafür ist die Haltung der ständerätlichen Gesundheitskommission zum indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative, die stur an einer laschen Variante festhält, mit einer unverbindlichen «Kann»-Formulierung zur Beteiligung der Kantone bei der finanziellen Unterstützung von angehenden Pflegefachpersonen, die sich die Ausbildung sonst nicht leisten können und einem unsäglichen Vorschlag, was die Möglichkeit betrifft, dass typische Pflegeleistungen auch ohne ärztliche Unterschrift bei den Krankenkassen in Rechnung gestellt werden können. Das soll nur gehen, wenn vorher eine «Vereinbarung» mit der Kasse unterzeichnet wurde – also eine klare Aufhebung des Vertragszwangs.

Ich muss hier gar nicht ins Detail gehen. Fakt ist, dass dem indirekten Gegenvorschlag zentrale Punkte fehlen.

Es ist zwar richtig und wichtig, Geld in die Hand zu nehmen, damit mehr Menschen die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachperson in Angriff nehmen, wo der Mangel extrem gross ist. ABER: Wenn nicht auch die Arbeitsbedingungen verbessert werden, ist das etwa das gleiche, wie wenn man krampfhaft versucht, ein Sieb mit Wasser zu füllen.

Denn, was nützt eine Ausbildungsoffensive, wenn die Ausgebildeten nach wenigen Jahren den Bettel hinwerfen, weil sie merken, dass sie unter diesen Bedingungen ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen oder schon krank wurden? Das ist zynisch. Und zynisch ist es auch, die Interessen der Arbeitnehmer*innen im Gesundheitswesen gegen andere Berufe auszuspielen, die von der Covid-Krise hart getroffen wurden.

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