Im Zentrum der Wintersession stand eine intensive Budgetdebatte und zahlreiche weitere wichtige Geschäfte, die die Gemüter bewegten und die Machtverhältnisse immer wieder aufzeigten. Ganz schlimm finde ich den Kahlschlag in der Entwicklungszusammenarbeit und die Einschränkung des Schutzstatus S. Mit der Rettung der Schweizer Stahlwerke gelang ein wichtiger industriepolitischer Coup, nach intensiven, engagierten Gesprächen und Debatten. Wir hatten eine Delegation von Arbeiter:innen der Stahlwerke Gerlafingen und Emmenbrücke und Gewerkschaftsvertreter:innen zu einem Austausch in die Fraktionssitzung eingeladen. Das war eindrücklich. Nebst den Sessionsthemen beschäftigte uns auch die weltpolitische Lage. In der Fraktionssitzung hatten wir zudem Gäste zur Analyse der US-Wahlen und in der dritten Sessionswoche einen äusserst interessanten Austausch mit zwei Syrienexpert:innen nach dem Umsturz in Syrien. Trotz grosser Erleichterung über die Beendigung der Schreckensherrschaft des Assad-Regimes gibt es Sorgen und offene Fragen über die weitere Entwicklung. Gelingt es ein demokratisches, förderalistisches Syrien aufzubauen? Klar ist, dass die Schweiz mit den internationalen Bemühungen mithelfen soll und es absolut verfrüht ist, die Rückkehr von geflüchteten Menschen zu fordern.
Zum Sessionsschluss ging es dann noch nach Wil, wo die erste St .Galler Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter mit einer stimmungsvolle Feier geehrt wurde.
Voranschlag: Aufstockung Armeekredite – auf Kosten Vieler
Ich bin nicht mehr Mitglied der Finanzkommission, war aber einige Male als Ersatz an Sitzungen und als Präsidentin der Gewerkschaft des Bundespersonal stark involviert. Schon der Bundesrat legte ein Budget mit grossen Abstrichen – auch im personellen Bereich – vor. Beschlossene Sache war von Anfang an, dass die bürgerliche Mehrheit den Ausbau der Armee forcieren will und zusätzliche 533 Millionen bewilligte. Und wie alle Jahre wieder wurden auch die Landwirtschaftskredite erhöht. Das führt dazu, dass über 600 Millionen an anderen Orten zusammengestrichen werden mussten. Während der Nationalrat am meisten bei der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (IZA) kürzte und dann noch beim Personal und beim Sachaufwand, hatte der Ständerat ein anderes Konzept mit Kürzungen in verschiedensten Positionen, die allerdings das Personal noch stärker treffen und die Sozialpartnerschaft direkt tangieren. Die IZA ist besonders heftig betroffen, weil schon der Bundesrat Einschnitte beschlossen hatte. Er beantragte, dass die Mittel für den Wiederaufbau in der Ukraine dem allgemeinen Budget der IZA belastet werden. Sämtliche Versuche, diese Hilfe ausserordentlich zu verbuchen, so dass sie nicht der Schuldenbremse untersteht, scheiterten. In Minischritten näherten sich die beiden Räte einander an. Alles in allem ist es ein sehr unerfreuliches Budget mit harten Einschnitten.
Sozial- und gesundheitspolitische Diskussionen mit Lichtblicken
Recht erfreulich sind für einmal die Entscheide zu den Geschäften aus der Sozial- und Gesundheitskommission.
In der Differenzbereinigung zum Kostendämpfungspaket 2 hatten wir in der Kommission eine «Zwischenrunde» eingeschaltet, um eine Rückvergütungsverpflichtung im Bereich der umsatzstarken Medikamente mehrheitsfähig machen zu können. Das BAG arbeitete an runden Tischen mit den Versicherern und der Pharma an der möglichen Umsetzung und konnte seine Erkenntnisse in die Kommissionsarbeit einspeisen. So konnten wir die entsprechende Bestimmung einstimmig in der Kommission verabschieden. Nichtsdestotrotz verlangte ein Teil der SVP eine Abspaltung dieses Teils, um das Geschäft zu verzögern oder gar zu hintertreiben. Da ist unverständlich, denn diese Rückvergütungen der Pharma an die Versicherungen – jährlich 400 Millionen, also etwa ein Prämienprozent – kommen direkt den Prämienzahlenden zugute.
Wesentliche Verbesserungen bringen zwei Vorlagen im Bereich der Sozialversicherungen. Mit einer Anpassung der IV-Gesetzgebung wird die Frühintervention für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung aufgenommen. Erfolgreiche Pilotversuche zeigten auf, dass Kinder mit schweren Autismus-Spektrum-Störungen durch die frühzeitige Erkennung und gezielte Behandlung besser integriert und im angestammten Umfeld beschult werden können.
Während der letzten EL-Revision 2018 hatten wir im Nationalrat das Thema «Betreutes Wohnen» angestossen. Damals war der Ständerat, und insbesondere die Kantone, nicht bereit Leistungen für Betreutes Wohnen aufzunehmen. Darum gingen wir den Weg über eine Kommissionsmotion. Nun ist es so weit: Leistungen für Betreutes Wohnen in den eigenen vier Wänden werden von den Ergänzungsleistungen übernommen. Das ermöglicht es den Menschen, länger selbstbestimmt zu Hause zu wohnen. Es sollen Pauschalen für verschiedene Leistungen wie ein Notrufsystem, Hilfe im Haushalt, Mahlzeitenangebote oder Begleit- und Fahrdienste in der Höhe von maximal 11’600 Franken jährlich vergütet werden. Schon in der Kommission konnten wir Verbesserungen erreichen. So wird der Zweck umfassender formuliert und insbesondere auch die psychosoziale Begleitung ermöglicht. Erhöht haben wir auch die Ansätze für rollstuhlgängige Wohnungen und ein separates Zimmer für eine Nachtassistenz. Dies wurde im Plenum bestätigt. Gerne hätten wir die Pauschalen von Anfang höher angesetzt. Trotzdem: Diese Vorlage ist ein wichtiger Schritt für mehr Selbstbestimmung. Das hatten wir auch in den Hearings in der Kommission so gehört.
Wegen der zusätzlichen und langen Diskussionen zu anderen Geschäften wie Budget, Stahlwerke und Eigenmietwert wurden leider verschiedene SGK-Geschäfte nicht behandelt und in die Frühlingssession 2025 verschoben. So verzögert sich beispielsweise die Umsetzung der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Dafür hatte ich im Vorfeld viele Gespräche geführt.
Intensive und oft heftige Debatten prägten diese Wintersession. Die Unsicherheiten der geopolitischen Entwicklungen und Umwälzungen beeinflussten die Diskussionen. Einen Lichtblick gab es dann zu Schluss aber doch noch: Der Ständerat korrigierte den unmenschlichen Entscheid des Nationalrats, der vorläufig Aufgenommenen das Recht auf Familiennachzug nehmen wollte – gegen unsere Verfassung und gegen das Völkerrecht. Ich bin froh, dass die Menschlichkeit wenigstens in diesem Fall siegte – wenn auch nur äusserst knapp.
Alles in allem war es dennoch eine schwierige Session. Umso wichtiger ist es, Zuversicht zu behalten, das persönliche Umfeld zu pflegen – und sich auch weiter für eine weltoffene, solidarische Schweiz einzusetzen.