Letzten Freitag haben wir vom Initiativkomitee beschlossen, dass die Pflegeinitiative zur Abstimmung kommen soll. In meinen Augen ist es uns im Parlament zwar gelungen, einen guten indirekten Gegenvorschlag auszuhandeln. Während zwei Jahren haben wir daran gearbeitet. Unter dem Strich haben wir mit der Ausbildungsoffensive, für die Bund und Kantone in den nächsten Jahren zusammen fast eine Milliarde ausgeben sollen, einiges erreicht. Auch die Möglichkeit, dass bestimmte Pflegeleistungen ohne ärztliche Anordnung von den Krankenkassen bezahlt werden müssen, konnten wir unterbringen. Zu Beginn hatte es hier noch ganz anders ausgesehen.
Berufsflucht von ausgebildeten Pflegefachleuten muss gebremst werden
Trotzdem: Der Gegenvorschlag enthält keine Massnahmen, mit denen die Berufsflucht der ausgebildeten Pflegefachleute gebremst werden kann. Und die ist massiv: Fast die Hälfte der Pflegenden verlässt den Beruf, gemäss den neusten Zahlen des Obsan fast ein Drittel schon vor dem 35. Geburtstag. Sie arbeiten also nur etwa 10 Jahre in der Pflege. Das ist eine grosse Verschwendung von Kompetenzen und letztlich auch Geld. Geld, das in ihre Ausbildung gesteckt wurde und eigentlich eine längerfristige Investition sein sollt. Es ist auch eine Tatsache, dass die Pflegenden, die jetzt berufstätig sind, vom Gegenvorschlag nicht viel haben. Dabei arbeiten sie (auch ohne Coronapandemie) an und auch über der Belastungsgrenze. Viele sagen, dass ein Hundert-Prozent-Pensum nicht zu schaffen sein. Sie arbeiten darum Teilzeit, auch wenn sie keine Familienpflichten haben. Und müssen so Renteneinbussen in Kauf nehmen. Das kann nicht sein, gerade in einem Beruf, der mehrheitlich von Frauen* ausgeübt wird.
Qualifizierte Pflege spart Geld und verhindert unnötiges Leiden
Die Pflegeinitiative nützt uns allen, nicht nur den Pflegenden. Sie kommt auch denen unter uns zu gute, die noch fit und gesund sind. Denn früher oder später werden wir alle auf Pflege angewiesen sein. Dann möchten wir kompetente Pflegefachleute, die dank ihrer Fachkompetenz dafür sorgen, dass wir trotz einer oder mehreren chronischen Krankheiten eine gute Lebensqualität haben. Die dank ihrer fundierten Ausbildung frühzeitig merken, wenn sich unser Gesundheitszustand verschlechtert und so einen Spitalaufenthalt vielleicht verhindern können. Oder die dafür sorgen, dass wir rasch wieder nach Hause können, wenn das Spital dann doch nötig war. Das spart jedem von uns viel Leid, und: Das spart viel Geld. Denn wenn etwas teuer ist in unserem Gesundheitssystem, dann sind es unnötige Spitalaufenthalte. Mit einem Ja zur Pflegeinitiative können wir also auch dafür sorgen, dass das Geld, das wir über Prämien und Steuern für unser Gesundheitssystem ausgeben, eine echte Investition ist, die sich unter dem Strich für uns alle lohnt.
Ich werde mich voller Kraft dafür einsetzen, dass die Volksinitiative für eine starke Pflege des SBK an der Urne angenommen wird. Für die Pflegenden, aber auch für ganze Bevölkerung.
Barbara Gysi, Nationalrätin SP, St. Gallen