Wir erleben besondere Zeiten. Während wir schrittweise aus dem Lockdown in eine neue Normalität übergehen, hat auch die Sommersession stattgefunden und wir sind zum Politalltag zurückgekehrt. Wie schon in der ausserordentlichen Session im Mai tagten wir in den Hallen der Bernexpo. Die Sessionsdynamik ist zurück, doch weil keinerlei Gäste und Lobbyist_innen Zutritt hatten, gab es etwas mehr Luft. Nach den vielen Videokonferenzen schätzte ich die persönlichen Kontakte und Treffen, auch ausserhalb der Bernexpo. So konnten wir auch einmal mit Parlamentskolleg_innen essen gehen. Die Traktandenliste war übervoll und die Debatten lang, sodass trotz zwei Openend-Sessionstagen viele Geschäfte verschoben werden mussten. Leider betraf das zum wiederholten Mal auch den Adoptionsurlaub. Wichtige Entscheide wie die Überbrückungsleistung, die Zulassungssteuerung und die IV-Revision konnten wir aber unter Dach und Fach bringen.

 

Corona-Krise beschäftigt uns nach wie vor

Die Bewältigung der Corona-Pandemie ist nach wie vor zentral. Die wichtigsten Entscheide fällten wir zwar in der ausserordentlichen Session, wo wir die Kredite für die Erwerbsersatzordnung, die Arbeitslosenversicherung und die Überbrückungshilfen für Unternehmen sprachen. Über die Covid-19-Verordnungen diskutierten wir intensiv in den Kommissionssitzungen. Jetzt bewilligten wir zur Sicherstellung der Kurzarbeitsentschädigung weitere 14,2 Milliarden für die Arbeitslosenversicherung. Enttäuschend ist die Tatsache, dass der Bundesrat unsere Vorstösse für die bessere Absicherung von Kleinstunternehmen sowie die Weiterführung der Unterstützung von Selbständigen torpediert und erst im Herbst behandeln will. Gescheitert sind wir ja auch mit dem Versuch, sie dennoch auf die Traktandenliste zu nehmen. Immerhin konnten sich die beiden Räte endlich auf eine gemeinsame Strategie zur Unterstützung des Gewerbes bei den Mieterlassen einigen. Die Ratsrechte versucht zunehmend, den Bundesrat zu übersteuern und will sämtliche Einschränkungen aufheben. Meines Erachtens ist nach wie vor umsichtiges Handeln nötig. Die Nachrichten vom Aufflammen von Covid-Infektionen an verschiedenen Orten zeigen das deutlich.

Die Situation in die Heimen hat mich ziemlich beschäftigt. Ich habe früh Kontakte zur Branache, aber auch mit verschiedenen Betroffenen und Familienangehörigen gesprochen und mir wurden teils drastische Situationen geschildert. Ich weiss, dass vieles gut gemacht wurde, dennoch will, dass die Ereignisse und das Besuchsverbot umfassend aufgearbeitet werden und habe einen Vorstoss dazu eingereicht.

Wichtige sozial- und gesundheitspolitische Entscheide

Die Covid-19-Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie bedeutend ein starkes öffentliches Gesundheitswesen ist und wie wichtig es ist, genügend ausgebildetes Gesundheits- und Pflegepersonal zu haben. Viele Beteuerungen scheinen aber Lippenbekenntnisse zu bleiben. Wie viele Male haben wir gehört: Klatschen alleine genügt nicht. Die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals müssen jetzt verbessert werden. Dennoch hat der Ständerat den Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative verschlechtert. Statt den Forderungen der Pflege entgegen zu kommen, hat er erstens punkto Kosten den Kantonen nachgegeben und den Betrag für die Ausbildungen um 100 Millionen gekürzt. Und zweitens hat er die Forderung der Krankenkassenlobby gutgeheissen, dass die Kompetenzen des Pflegepersonals nur dann erweitert werden sollen, wenn die Krankenkassen dies über eine Vereinbarung gewähren. Das ist eine Aufweichung des Vertragszwangs und inakzeptabel. Nun ist der Nationalrat wieder dran. Wir werden alles daransetzen, die «Scharten des Ständerats» wieder auszumerzen und zudem noch Verbesserungen der Arbeitsbedingungen hineinzubringen.

Die letzte Differenz bei der Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose konnten wir beseitigen und uns zum Glück auf die höhere Obergrenze einigen. Das ist für die Betroffenen wichtig. Das neue Sozialwerk ist zwar nicht so gut ausgestaltet, wie wir es gerne hätten. Bereits ausgesteuerte Personen sind leider ausgeschlossen. Aber es ist dennoch ein wichtiger Schritt in der sozialen Absicherung von älteren Arbeitslosen. Wie wichtig das ist, erleben gerade wieder hochaktuell, gehören doch neben den Berufseinsteigenden auch die über 55-Jährigen zu den Opfern der Corona-Krise.

Die Kostenthematik im Gesundheitswesen beschäftigte uns mit der Zulassungssteuerung und dem 1. Massnahmenpaket des Bundesrats zur Dämpfung der Kosten. 20 Jahre dauerte es, bis wir einen unbefristeten Gesetzesartikel für die Zulassungssteuerung neuer ambulanter Leistungserbringenden haben. Immer wieder gab es Provisorien und am Anfang der letzten Legislatur wurde ein Gesetz von der dannzumal neuen Mehrheit aus FDP und SVP in der Schlussabstimmung abgeschossen. Nach weiteren vier Jahren parlamentarischer Detailarbeit und einem erneuten Wechsel der Mehrheiten soll es nun endlich soweit sein. Insbesondere die Zulassung neuer Praxen von Spezialist_innen ist eine der wichtigeren kostendämpfenden Massnahmen. Aber wie immer, wenn es ums Geld geht, ist das heftig umkämpft. Die Krankenkassen wollen nicht, dass die Kantone diese Entscheide treffen können, sondern kämpfen immer wieder für die Vertragsfreiheit. Sie wollen selber entscheiden, mit welchen Leistungserbringenden sie abrechnen. Das 1. Kostendämpfungspaket umfasst 3 Massnahmenkomplexe: Verbesserte Rechnungskontrollen, einheitliche ambulante Pauschalen und ein Experimentierartikel.  Einen Erfolg konnten wir verbuchen: Für die individuelle Rechnungskontrolle sollen die Patientenorganisationen ein Mandat erhalten.

Fünf gleichlautende Vorstösse aus allen Fraktionen – ausser der SVP – brauchte es, damit nun endlich eine gesetzliche Grundlage für Cannabis-Pilotversuche vorliegt. Das Ziel ist eine Regulierung mit klaren Vorgaben, statt einer Verbotskultur. Demnächst muss noch der Ständerat darüber entscheiden und vermutlich kommt es zu einem Referendum von ganz rechts.

Beide Räte behandelten das Gesetz für das Proximity Tracing System. Diese gesetzliche Grundlage braucht es, damit die Nachverfolgung der Covid-19-Erkrankungen auch mittels einer Tracing-App geschehen kann. Die Freiwilligkeit, der Datenschutz und im Fall einer Quarantäne die Lohnfortzahlung waren für uns wichtige Anforderungen. Was mich beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass das System grossmehrheitlich von der öffentlichen Hand entwickelt wurde. Beim Besuch meiner Subkommission der Finanzkommission beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation wurden diese Arbeit vorgestellt. Mehr als 50 Fachpersonen aus dem BIT haben daran gearbeitet und garantieren, dass keine Rückverfolgung möglich ist.

 

Weitere Entscheide  

Dass teure Informatikprojekte immer heikel sind, haben wir beim Projekt «Insieme» erfahren. Ich war 2013 Vizepräsidentin der damaligen Arbeitsgruppe zur dessen Aufarbeitung. Darum schaue ich bei der notwendigen Ablösung der SAP-Applikationen genau hin. Fragen der Governance und Entscheidungskompetenzen haben wir vertieft angeschaut. Die Subkommission konnte auch mit diversen involvierten Fachleuten des Bundes direkt sprechen.

Während zwei Tagen diskutierten wir das CO2-Gesetz und konnten endlich eine Grundlage für ökologischeres Handeln schaffen. Gesellschaftspolitisch fortschrittlich war der sehr klare Entscheid für die Ehe für alle und den Zugang zur Samenspende für lesbische Ehepaare. Die stärkere Frauenvertretung wurde auch in der aktuellen Debatte zur Gleichstellung deutlich.  Von Bedeutung ist aber auch die Botschaft zur Entwicklungszusammenarbeit, wo in den nächsten 4 Jahren 11,25 Milliarden eingesetzt werden sollen. Nach langem Hin und Her und einer massiven Verwässerung des Gegenvorschlags ist nun auch klar, dass wir über die Konzernverantwortungsinitiative abstimmen müssen.

Die reichbefrachtete Session ging mit einer grossen Überraschung in der Schlussabstimmung zu Ende, wo die Zivildienstvorlage überraschend abgelehnt wurde.

Bald kommen die Sommerferien. Wir wollen wieder unsere Bergwelt und das Tessin erkunden. Ich freue mich sehr darauf!