Für einmal beginne ich meinen Sessionsbrief nicht mit einem parlamentarischen Ereignis, sondern einer Basisbewegung. Am 14. Juni hat die Schweiz mit dem Frauen*streik 2019 eine historische Kundgebung erlebt, an der sich im ganzen Land mehr als eine halbe Million Menschen beteiligt haben. Ich bin immer noch beeindruckt und überwältigt von diesem starken, bunten, fröhlichen Tag, an welchem eine breite Palette von Forderungen nach mehr Gleichstellung, mehr Lohn und mehr Respekt auf die Strassen getragen wurden. Bereits morgens um 7 Uhr habe ich Flyer und «Den Fünfer und s’Weggli» am Bahnhof Bern verteilt, später kam die Protestpause mit Nationalratspräsidentin Marina Carobbio, Vizepräsidentin Isabel Moret und Bundesrätin Viola Amherd. Mittags gab es ein Foto mit vielen Kandidatinnen aller Parteien auf der Bundesterrasse und dann ging es ab mit dem Zug nach St. Gallen. Eine derart grosse Demo hat auch St. Gallen noch nie erlebt. Es war toll, nach der 1. Mai Demo in Zürich, wiederum – dieses Mal zu Hause – vor so vielen Bewegten zu sprechen. Der Frauen*streik fand auch international Beachtung, so gab ich spät abends ein Live-Interview via Skype bei der Deutschen Welle. Auf Deutsch, so brauchte ich niemanden, der mir die richtigen Antworten einflüstern musste ?.

Dieser Frauen*streik muss Auswirkungen haben: Mehr Frauen im Herbst ins Parlament wählen. Vorwärts machen mit Lohngleichheit und Rentensicherheit dank besseren 2. Säule- Renten. Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Respekt Frauen gegenüber wahrnehmen.

Schon am 19. Juni hatte der Ständerat die erste Probe zu bestehen, die Geschlechterrichtwerte in der Aktienrechtsrevision. Diese wurden in der Kommission bekämpft und knapp abgelehnt. In der Plenumsdebatte wurde diese sanfte Vorgabe dann aber zum Glück klar angenommen. Die Botschaft vom Frauen*streik wurde gehört. Wenigstens dieser kleine Schritt wurde getan und ein Signal an die Unternehmen gesendet.

Am 20. Juni debattierte der Ständerat dann über den indirekten Gegenvorschlag zur Vaterschaftsinitiative, wo es wenigstens um 2 Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub ging.

Und die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit wird im August das Bundesgesetz für eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung beraten. Damit kann zumindest ein wichtiger Schritt getan werden. Ich bin gespannt, ob die Wirtschaftsvertreter einlenken und ihren Widerstand dagegen aufgeben. Auch dieses Geschäft sollte noch vor den Wahlen in den Rat kommen.

 

Sozialversicherungsabkommen Schweiz – Kosov@

Nach 10 Jahren Ungerechtigkeit und Verwehren der Rentenauszahlung an Kosovo-Heimkehrer_innen ist nun das Sozialversicherungsabkommen beschlossen worden. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hatte im Jahr 2016 einen erfolgreichen Pilotversuch durchgeführt. Der kosovarische Staat hat mittlerweile auch die notwendigen Zivilstandsregister und Voraussetzungen geschaffen. Diese waren bei der Staatsgründung nicht vorhanden, weil alle Dokumente in der serbischen Republik zurückgehalten wurden. Damit können die Renten endlich wieder exportiert werden und Kosovar_innen, die hier gearbeitet haben, auch in der ehemaligen Heimat zu ihrem Recht kommen. Mit anderen Gewerkschafterinnen habe ich jahrelang dafür gekämpft und bin über diesen Abschluss nun sehr froh.

 

Qualitätsvorlage unter Dach und Fach

Annähernd 4 Jahre hat es gebraucht um diese Vorlage für die Verbesserung und verbindliche Regelung von Qualitätsvorgaben im Gesundheitswesen zur Stärkung der Patient_innensicherheit zu verabschieden. Nachdem der Ständerat zuerst gar nichts davon wissen wollte, konnte auch dank starkem Engagement verschiedener SP-Vertreter_innen ein Kompromiss erarbeitet werden. Nationale Qualitätsprogramme sollen die Leistungserbringer (Spitäler, Ärzte, Spitex-Dienste, Pflegeheime u.a.) verpflichten und auch dabei unterstützen, ihre Behandlungsprozesse zu verbessern und einheitliche Standards umzusetzen. Dazu werden Qualitätsindikatoren geschaffen und eine nationale Kommission, in der die Kantone, die Leistungserbringer, die Versicherer, die Versicherten und Fachleute vertreten sind, soll darüber wachen.

 

Unsozialer Rentenangriff gestoppt – keine «flexiblen» BVG-Renten

Als Kommissionssprecherin der Sozialkommission habe ich zu dieser Parlamentarische Initiative von GLP-Mann Thomas Weibel gesprochen und unsere ablehnende Haltung dargelegt. Die Forderung, selbst laufende Renten je nach Finanzerträgen senken zu können, ging einer klaren Mehrheit zu weit. Das klare Rentenversprechen und eine Absicherung im Alter braucht es. Flexible Renten, eigentliche Wackelrenten, widersprechen Treu und Glauben und schwächen die 2. Säule. Dieser Vorstoss war ein weiteres negatives Beispiel der sozialpolitischen Haltung der GLP.

 

Diskussionen über das «Internationale Genf»

Als Kommissionssprecherin der Finanzkommission habe ich die Finanzkredite für die Stärkung der Rolle der Schweiz als Gaststaat von internationalen Organisationen 2020-2023 unterstützen dürfen. Nur gerade die SVP wollte den 4-jährigen Rahmenkredit von rund 110 Millionen Franken kürzen. In Genf sind 37 internationale Organisationen, 177 Mitgliedstaaten der vereinten Nationen sowie mehr als 380 Nichtregierungsorganisationen ansässig, für die mehr 30’000 Mitarbeitende tätig sind. Für die Schweiz ist Genf also ein bedeutsamer Standort. Da sind diese Investitionen – wir gewähren auch Kredite für Bauten und die Sicherheit – mehr als gerechtfertigt.

 

Viel zu reden gab eine Vorlage für die Genfer Zentren für Sicherheit. Wir hatten dazu während der Session eine 3. und 4. Kommissionssitzung, um einen Mitbericht an die Sicherheitspolitische Kommission zu verfassen. In der Regel sind solche Mitberichte eher ein Routinegeschäft. Die Genfer Zentren, drei von der Schweiz gegründete Stiftungen, engagieren sich im Bereich der Minenräumung, der Sicherheitspolitik und der demokratischen Kontrolle der Streitkräfte. Der Rahmenkredit von 128 Millionen ist vor allem der SVP ein Dorn im Auge. Zusatzberichte und Leistungsvereinbarungen werden akribisch begutachtet und alles wird hinterfragt. Das Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte, das auch in der Weltwoche heftig kritisierte wurde, steht unter besonderer Beobachtung der SVP.

 

Natürlich gäbe es noch viel mehr zu berichten, etwa den erfreulich deutlichen Entscheid für einen Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative und die schwer verständliche, von der Bauernlobby durchgedrückte Absage an einen Gegenvorschlag zu den Trinkwasser- und Pestizid-Initiativen. Neben den Sessionsgeschäften liefen intensive Gespräche, um einem wirksamen Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative zum Durchbruch zu verhelfen – über den Sommer läuft hier die Vernehmlassung. Wie jeden Sommer bin ich den Frauenlauf und am Parlamotion gelaufen.

Schön verlief die Kantonsratspräsidentenfeier von Daniel Baumgartner in Flawil, für welche wir die Zeit fanden heimzureisen. Gemeinsam mit Regierungspräsidentin Heidi Hanselmann ist der Kanton St. Gallen jetzt für ein Jahr „in SP-Hand“.

Ich wünsche einen erholsamen Sommer!