Seit einem Jahr hat uns die Covid19-Pandemie im Griff. Sie fordert unsere Gesellschaft enorm. Jede und jeder ist tangiert. Viele Menschen und Branchen sind sehr betroffen, viele mit existenziellen Fragen konfrontiert. Die Politik hat wichtige Massnahmenpakete zur Unterstützung geschnürt und Milliardenkredite gesprochen – für die Wirtschaft – aber keine für’s Gesundheits- und Pflegepersonal.
Im Parlament diskutieren wir seit 2 Jahren über die Pflegeinitiative und einen indirekten Gegenvorschlag. Aber das harzige Hin-und-Her zeigt: Die Politik tut sich schwer damit, echte Massnahmen zu beschliessen, damit unsere Pflege auch in Zukunft gesichert bleibt. Fehlt da die Einsicht?
Der Mangel an Pflegefachpersonen ist seit langem bekannt. Jetzt hat er sich noch zugespitzt. Seit einem Jahr arbeitet das Gesundheits- und Pflegepersonal an, wenn nicht über der Belastungsgrenze. Das Risiko ist gross, dass viele Pflegefachleute nach der Pandemie derart ausgelaugt sind, dass sie den Beruf an den Nagel hängen – hängen müssen. Der Weltverband der Pflegefachpersonen befürchtet, dass diese für die Gesellschaft so wichtigen Berufsleute von der Pandemie traumatisiert sind und selber krank werden. Wenn wir also verhindern wollen, dass Gesundheitspersonal in Scharen den Beruf verlässt, dann müssen wir handeln, und zwar rasch.
Dabei waren die Arbeitsbedingungen schon vorher streng: Zu wenige Fachpersonen müssen immer mehr Menschen pflegen, denn wir werden immer älter. Es fehlt ihnen die Zeit, für den einzelnen Patienten, die einzelne Bewohnerin. Die Schichten sind überlang, die Pausen ultrakurz und die Bedürfnisse der Patient:innen werden immer komplexer.
Die Pflegefachleute müssen in den Intensivstationen 12-Stunden-Schichten leisten – in voller Schutzmontur. Auf das Trinken verzichten sie oft, damit sie nicht auf die Toilette müssen. Diese Arbeit ist extrem belastend – physisch, aber auch psychisch. Denn Covid19 ist eine heimtückische Krankheit. Viele Patient:innen leiden enorm, ihr Zustand kann sich von einer Stunde zur anderen massiv verschlechtern. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr durften Angehörige ihre Lieben nicht besuchen, machen sich aber grosse Sorgen. Die Pflegefachleute springen auch hier in die Bresche und kümmern sich um die Familienmitglieder. Dabei wäre Nähe und Sorge für den Genesungsprozess so wichtig.
Aber nicht nur in den Intensivstationen gibt das Personal alles: Alle Bereiche des Gesundheitswesens sind von Corona betroffen. Gerade auch in den Pflegeheimen, dem Zuhause von vielen der sogenannten «Risikopatient:innen». Wir haben zwar in den Medien davon gelesen, dass viele Menschen in den Heimen gestorben sind. Aber können wir uns wirklich vorstellen, was das bedeutet? Für die Bewohner:innen, die dort leben, und für die Menschen, die sie pflegen, manchmal über Jahre, und mit denen sie eine Beziehung aufgebaut haben? Für die Angehörigen, die sich vielleicht nicht von ihren sterbenden Eltern verabschieden konnten? Das sind unglaublich belastende Situationen für die Pflegenden. Und zu oft nehmen wir das als «selbstverständlich» hin. Denn es ist ja ihr «Job». Aber solche Momente brauchen eine enorme mentale Stärke und wenn ihnen dann der Raum fehlt, um es zu verarbeiten, dann brennen sie auch innerlich aus.
Unser Pflege- und Gesundheitspersonal leistet derzeit wahnsinnig viel. Das wird anerkannt. Im letzten Frühling hatte die ganze Schweiz an einem Freitagmittag geklatscht und gedankt. Pflegende werden in den Medien gelobt. Und sonst? Eine Pflegefachfrau hat mir erzählt, sie hätten im Sommer von der Spitalleitung zum Dank Glacé spendiert bekommen, eine andere berichtete mir, sie hätten einen Einkaufsgutschein erhalten. Ich muss ihnen sagen, mir hat es die Sprache verschlagen und bei der Pflegefachfrau hat das Glacé einen faden Nachgeschmack hinterlassen.
Und was macht die Politik?
Wortreich wehrt sich eine Mehrheit der (rechten) Politiker:innen inklusive Bundesrat gegen echte Anerkennung. Die Honorierung des Pflege- und Gesundheitspersonals sei Sache der Arbeitgeber, der Institutionen. Erfolglos haben wir versucht zu erreichen, dass Bund und Kantone die Spitäler dafür entschädigen, dass viele Behandlungen ausgefallen sind und dass sie eine Coronaprämie mitfinanzieren.
Stattdessen wird dauernd über die Kosten geklagt. Es gibt sogar Bemühungen, mit zusätzlichen Vorgaben und Benchmarks die Kosten zu senken und die Institutionen noch mehr unter Druck zu setzen. Doch wir wissen: Zuviel Druck schadet der Qualität, übermüdetes und überlastetes Personal macht mehr Fehler.
Die Institutionen spielen den Ball zurück. Wenn sie bessere Leistungsabgeltungen hätten, so würden sie mehr Personal einsetzen, ausbilden und auch entlöhnen. Wegen der Einschränkungen der Wahleingriffe im Frühling sind einige Spitäler finanziell noch mehr unter Druck. Einzelne Spitäler mussten gar Sparprogramme für dieses Jahr aufgleisen. Mein Wohnkanton St. Gallen hat gerade mal eben die Schliessung von 4 Regionalspitälern beschlossen.
Das ist mehr als absurd. In der grössten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten bauen wir im Gesundheitswesen ab.
Wir sprechen – zu Recht – Dutzende von Milliarden für die Wirtschaft, die Kultur, den Sport – über Kurzarbeitsentschädigungen, Härtefallgelder, Bürgschaftskredite. Aber für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, zur Abfederung der massiven Belastungen fliesst kein Franken. Ich muss ihnen sagen: das ist für mich völlig unverständlich.
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Gute Pflege braucht Fachwissen, Empathie, Anteilnahme und vor allem: Zeit. Zeit, um die Pflege qualitativ gut auszuführen. Aber auch Zeit für Gespräche, wenn eine Patientin oder ein Bewohner diese Gespräche braucht. Und Zeit, um mit den Angehörigen zu sprechen. Denn der Genesungsprozess ist nicht nur ein körperlicher. Es reicht nicht, einfach die Medikamente zu verabreichen. Ob im Spital, in der Langzeitpflege oder in der Sterbebegleitung – braucht es Zeit und Raum, sich dem Gegenüber anzunehmen.
Am einfachsten ist diese Frage nach der guten Pflege auch zu beantworten, wenn man sich überlegt, was man selber braucht, oder wenn man an einen nahestehenden Menschen denkt, der krank ist. Was würde ich mir wünschen, wenn ich krank wäre? Natürlich die richtige Behandlung und eine Fachperson, die eine fundierte Ausbildung und die richtigen Kompetenzen mitbringt. Qualität und Sicherheit sind mir auch sehr wichtig. Doch daneben gibt es auch noch einen anderen Punkt: nämlich, dass jemand da ist, der mir zuhört, mir erklärt, was überhaupt los ist. Die Zeit hat, um bei mir zu sein, mir vielleicht Trost zu spenden. Mir vielleicht noch einen Tee ans Bett bringt und sich kurz neben mich setzt.
Aber wie oft erleben wir, dass im Spital die Pflegefachfrau kaum Zeit hat? Sie erledigt zwar geschickt und mit viel Einfühlungsvermögen ihre Aufgabe. Ich erinnere mich bei meinem eigenen Spitalaufenthalt, wie ich merkte, wie streng es für die Pflegefachfrauen war. Ob sie Zeit haben, um noch ein paar zusätzliche Worte zu sprechen, oder ob der Druck grad so gross war, dass es nur gerade für die notwendigen Handgriffe und Fragen reichte. Hat anfangs noch häufiger jemand kurz nachgefragt, hat dies schon am 2. Tag stark nachgelassen, einfach weil kaum Zeit dafür da war…
Gute Pflege ist ein umfassender Prozess. Es geht ja nicht nur um das «Abwickeln» einer pflegerischen Handlung, so als ob man eine Waschmaschine flickt. Sondern man arbeitet mit einem Menschen, den man als Ganzes wahrnehmen muss. Das braucht Zeit, das braucht Raum – und genau diese Qualität leidet, wenn eine Pflegefachperson zu viele Patient:innen auf’s mal betreuen muss.
Eindrücklich sind mir auch Schilderungen der lokalen Spitex in Erinnerung, wie sie kaum genügend Zeit haben, jemanden beim zu duschen oder beim Anziehen zu unterstützen. Die demente Klientin spürt den Druck und sträubt sich erst recht. Dann dauert alles noch länger, und dabei müsste die Pflegefachfrau schon längst bei der nächsten Patientin sein. Ein Teufelskreis.
Hinter diesen Entwicklungen steckt ein fataler Trend, der in den letzten Jahren überhandgenommen hat: Das Gesundheitswesen wird nicht mehr als Service Public gesehen, als etwas, das für unsere Gesellschaft einen Wert hat. Stattdessen wurde es zu einem Gesundheitsmarkt, der marktwirtschaftlichen Mechanismen zu gehorchen hat und wo es etwas zu holen gibt. Denn zunehmend sind sowohl in der Spitallandschaft wie auch in den Pflegeheimen mehr private Akteure und zum Teil ausländische, profitorientierte Grosskonzerne am Werk, die Gewinne und Dividendenausschüttungen verlangen und die sich einen Deut um Gemeinnützigkeit scheren. Als ich als Stadträtin in Wil das Pflegeheim sanieren musste, gab es im Stadtparlament einige Diskussionen dazu, weil sich die Stadt an den Kosten beteiligen musste. Daraufhin erhielt ich gleich mehrere Angebote von Banken und Fonds, die uns das Heim noch so gerne abgekauft, saniert und uns dann für den Betrieb vermietet hätten! Aber für uns wäre das eine wesentliche teurere Variante gewesen. Denn Fonds machen das nicht aus Nächstenliebe, sondern die wollen verdienen!
Seit einigen Jahren werden in den Spitälern Leistungen über DRG-Pauschalen abgerechnet. Diese sind einseitig und bilden insbesondere die Pflege ungenügend ab. Aber auch in der Langzeitpflege herrschen Missstände bei der Finanzierung, die vor allem die finanziell weniger gut gestellten benachteiligen. Denn nur die Pflege im engen Sinn wird über das KVG mitfinanziert, die Betreuungsleistungen müssen die Bewohner:innen immer aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Pflegeerfassungssysteme führen zu einem «Minütelen», wie das von den Pflegefachpersonen genannt wird. Statt einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, wurden Pflege und Betreuung auseinandergerissen. Das führt zu grotesken Ungerechtigkeiten im System. Wenn nämlich eine Pflegefachfrau einer betagten Person das Essen eingibt, dann ist das Betreuung und nicht übers KVG finanziert, wird aber eine Magensonde gelegt, dann ist das Pflege und wird ohne Murren von den Kassen bezahlt. Es ist stossend, dass die pflegerische Arbeit zu wenig abgegolten wird, und der sorgende Teil der Arbeit gar nicht oder unterfinanziert ist.
So kommt die so wichtige Sorgearbeit im Pflegebereich zu kurz. Das hat negative Folgen für die Patient:innen, aber auch für das Pflegepersonal. Denn sie spüren ja, dass ihnen die Zeit dafür fehlt. Die Zeit, um ihre Arbeit ganzheitlich und rundum gut zu leisten. Das zermürbt und frustriert und über lange Dauer, führt das auch zu ausgebrannt sein.
Was mich aber wirklich wütend macht: Es geht ja nicht einmal auf, wenn man nur das Finanzielle anschaut! Es gibt unzählige Studien, die beweisen, dass man mit gutem, qualifiziertem, Pflegepersonal Kosten im Gesundheitswesen sparen kann! Eine Analyse von offiziellen Schweizer Zahlen hat ausgerechnet, dass mit mehr diplomierten Pflegefachleuten in den Spitälern jedes Jahr eine halbe Milliarde gespart werden könnte. Und im Langzeitbereich gar 1.5 Milliarden, weil so unnötige Spitaleinweisungen vermieden werden könnten. Und das ist nur das Geld! Vom Leiden, das den Menschen erspart wird, ist da noch nicht die Rede.
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Eines ist klar. Schöne Worte reichen nicht. Wertschätzung ist zwar wichtig. Doch es braucht vor allem konkrete Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen: Die Zeiten, in denen Ordensfrauen zu Gottes Lohn unsere Kranken und Alten gepflegt haben, sind längst vorbei… Er braucht also:
- Mehr Pflegepersonal und besser finanzierte Ausbildungen
- Attraktive Arbeitsbedingungen und Löhne, die der Verantwortung gerecht werden, die die Pflegenden tragen
- Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, verlässliche Dienstpläne und eine ausgewogene Balance zwischen Arbeits- und Freizeit.
- die längst fällige Aufwertung des Berufs der Pflege (die heute im Gesetz immer noch als Hilfsberuf eingestuft ist – meines Wissens weltweit einzigartig und eine völlige Verschwendung von Kompetenzen von hochqualifizierten Fachpersonen!)
- Eine bessere, dem Bedarf der Bevölkerung entsprechende Finanzierung der pflegerischen Leistungen in DRG, Tarpsy und Langzeitpflege
- Mehr Zeit für die zu verrichtende Tätigkeit und weniger Patient:innen pro Pflegefachperson
Ja, das ist eine ziemliche lange Liste – und eigentlich ist sie noch gar nicht fertig. Meine bürgerlichen Kolleg:innen in der Gesundheitskommission würden jetzt sagen, das sei das Programm der Gewerkschaften. Doch damit ignorieren sie das Ausmass des Problems und die Folgen für die Gesellschaft. Denn eigentlich geht es um eine ganz andere Frage: wer pflegt mich, wer pflegt meine betagten Eltern, mein Kind? Wir alle werden früher oder später Pflege brauchen.
Und wir brauchen eine menschenwürdige Pflege. Wir müssen jetzt handeln, damit wir nicht eines Tages hilflos und verletzlich in einem Bett liegen – und niemand ist da…
Im Parlament diskutieren wir aktuell über die Pflegeinitiative, respektive vor allem den indirekten Gegenvorschlag dazu.
Auf die Gefahr hin, dass ich Dinge wiederhole, die sie schon wissen:
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan rechnet damit, dass in der Schweiz bis 2030 65’000 Pflegende fehlen werden, davon etwa 27000 diplomierte Pflegefachpersonen. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe: Wir bilden zu wenige aus und fast die Hälfte steigt frühzeitig aus. Die Berufe im Pflegebereich sind zu belastend, die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Die Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Familienleben ist ungenügend.
Es ist eigentlich tragisch: Fast 5000 junge Leute steigen pro Jahr mit grossem Elan als FaGe-Lernende in den Pflegebereich ein. Oft haben sie den Wunsch, eine sinnvolle Arbeit mit Menschen zu machen. Es ist keine einfache Lehre – schon mit fünfzehn oder sechzehn Jahren werden sie mit menschlichem Leiden und nicht selten auch mit dem Tod konfrontiert. Dazu kommt: Das Gesundheitswesen muss rund um die Uhr funktionieren, und das 365 Tage im Jahr. Eine der Folgen dieser Belastungen ist, dass fünf Jahre nach Lehrabschluss schon 20 Prozent der Fachangestellten Gesundheit das Gesundheitswesen verlassen haben.
Damit unsere pflegerische Versorgung gesichert werden kann, wäre es ausserdem nötig, dass viele FaGe weitermachen und die Diplomausbildung zur Pflegefachperson absolvieren. Viele würden das gerne tun, aber es ist eine schwierige Wahl: Noch einmal zwei oder drei Jahre zu einem Hungerlohn von 1000 Franken monatlich weiterstudieren? Oder als ausgebildete FaGe arbeiten zu 4500 Franken? Und was hätte sie davon? Der Lohn einer diplomierten Pflegefachperson lockt leider nicht sonderlich – im Kanton Bern sind es knapp 800 Franken mehr, für ein Mehrfaches an Verantwortung.
Wer also keinen Sponsor hat, das heisst Partnerin oder Partner, Eltern, die zusätzlich unterstützen, kann es sich kaum leisten, geschweige dann, wenn man Kinder grosszieht.
Darum braucht es existenzsichernde Ausbildungslöhne für die HF-Ausbildung, wie sie die Nationalratskommission im Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative einbringt. Das wäre ein wichtiger Punkt, um das Problem zu entschärfen. Aber leider sehen das eine Mehrheit des Ständerats und im Nationalrat FDP und SVP nicht ein.
Zweitens müssen alle Leistungserbringer, also Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Spitexorganisationen und Reha-Kliniken verpflichtet werden, genügend Ausbildungsplätze, auch auf Tertiärstufe, anzubieten. Diese Ausbildungsverpflichtung soll auch von der öffentlichen Hand mitfinanziert werden. Der Gegenvorschlag will dazu 1 Milliarde auf 8 Jahre verteilt investieren. Zusätzlich braucht es gute Um- und Weiterbildungsangebote, um den Bedarf zu decken.
Der Gegenvorschlag will zudem den Beruf aufwerten. Das betrifft den schon genannten aktuellen Status als «Hilfsberuf». Diplomierte Pflegefachpersonen sollen Leistungen direkt bei den Krankenkassen abrechnen können – ohne dass dafür eine ärztliche Unterschrift benötigt wird. Dieser Punkt ist heftig umstritten: Die Krankenversicherer und leider auch das BAG lobbyieren mit den Totschlagargumenten: «Mengenausweitung»! «Unkontrolliertes Kostenwachstum!». Das Gegenteil ist der Fall. Denn die Pflegefachpersonen können sehr genau beurteilen, was nötig ist, und die Hausärtz:innen werden von sinnlosem administrativem Aufwand entlastet. Auch für die Attraktivität des Berufs ist es wichtig, dass Pflegefachpersonen nicht mehr als «Hilfsberuf» bezeichnet werden.
Der Showdown steht kurz bevor: Es gibt beim Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative noch gewichtige Differenzen. In der Frühlingssession müssen wir zu – einem hoffentlich akzeptablen – Abschluss kommen. Und ob der dann genügt oder über die Pflegeinitiative an der Urne abgestimmt wird, wird sich Ende März entscheiden.
Komplexer ist es bei den Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Die Politik will sich hier nicht einmischen. Allfällige Gesamtarbeitsverträge seien Sachen der Sozialpartner. Die Arbeitgeber signalisieren zwar eine gewisse Offenheit, denn sie spüren den Mangel tagtäglich: 6668 offene Stellen für Pflegefachleute wies der Jobradar im letzten Quartal 2020 auf – einsamer Spitzenplatz seit Jahren. Doch sie stellen sich auf den Standpunkt, dass ihnen die Mittel für Verbesserungen fehlen. Es brauche bessere Abgeltungen. Ich lasse diese Ausrede nur halbwegs gelten. Denn die Pflege ist im ganzen System zwar personalintensiv, aber insgesamt kostengünstig – und wie ich schon gesagt habe, könnte sie sogar Kosten sparen, wenn man sie denn liesse.
Um aus dem Teufelskreis herauszukommen, müssen wir das Steuer herumreissen. Wir müssen die Rahmenbedingungen für diese so wichtigen Berufe ändern. Es braucht klare Vorgaben für die Qualitätssicherung. Und die Pflege muss besser finanziert werden.
Wir brauchen die Pflege. Aber die Pflege braucht auch uns, braucht Sie:
Betonen sie die Bedeutung und den Wert der Pflege, wo sie nur können. Und falls es zu einer Volksabstimmung kommt, dann braucht es ganz breite Unterstützung in Stadt und Land, denn wir müssen das Volk- und Ständemehr erreichen. Dann sind wir froh um jede Person, die sich aktiv engagiert und zeigt: Gute Pflege ist wertvoll, gute Pflege braucht gute Rahmenbedingungen, gute Pflege muss gerecht finanziert sein – dafür engagieren wir uns.
Ich danke Ihnen.
Diese Rede wurde am Politischen Gottesdienst am 12. Februar 2021 in Zürich gehalten. Hier geht’s zum Live-Stream.