Während die beiden Gesundheitskommissionen des nationalen Parlaments an höheren Franchisen und Knebelverträgen bei Wahlfranchisen arbeiten, lancierte die Chefin der Krankenkasse CSS, Philomena Colatrella, eine regelrechte Keule bei den Franchisen. Im Sonntagsblick vom 15. April 2018 verkündete sie, die Franchisen sollten auf 10’000 Franken pro Jahr und versicherte Person steigen. Im Gegenzug würden dafür die Krankenkassenprämien sinken, orakelt sie. Wohl eher wird das Zusatzversicherungsgeschäft angekurbelt, weil sich viele Familien, ältere Menschen und auch chronisch Kranke gegen ein solches Risiko absichern müssten. 

Solche Ideen sind absolut unbrauchbar. Franchisenerhöhungen nutzen höchstens den Gesunden. Kranke, chronisch Kranke und auch ältere Menschen werden zusätzlich belastet. Die Solidarität im Gesundheitswesen wird massiv in Frage gestellt. Die 10’000-Franken-Franchise von Colatrella kommt einer Abschaffung des KVG gleich.

Untauglich und gefährlich ist auch die Idee der CVP für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen. Es drohen eine Zweiklassenmedizin und ein Leistungsabbau. Wo dieser stattfinden soll, delegiert die CVP dann aber. Selbst die NZZ beurteilt dieses Instrument kritisch. So schreibt sie doch am 24. April 2018 «Sie (die CVP) schlägt ein abstraktes Regelwerk vor, das in manchen Bürgerohren gut klingen mag, doch sie sagt nichts über jene unpopulären Entscheide, die mit der Umsetzung der Regeln allenfalls nötig würden.»

Die Kosten des Gesundheitswesen steigen, das bereitet Sorgen. In jedem anderen Bereich wird Wachstum stets gefeiert, hier primär problematisiert. Gestiegen sind die Behandlungsmöglichkeiten und ein Teil der Zunahme hat auch mit der Alterung der Bevölkerung zu tun. Man darf ob der Panik über eine angebliche „Kostenexplosion“ nicht vergessen, dass anders als in anderen Wirtschaftsbereichen der Rationalisierung und Automatisierung enge Grenzen gesetzt sind. Ein Spital ist keine Fabrik, wie die Basler Care-Ökonomin Mascha Madörin deutlich macht. Patient*innen zu pflegen und zu betreuen braucht Zeit. Dass der Anteil des Gesundheitswesen am BIP steigt, ist eine logische Folge dieser Eigenheit eines Systems, indem es um Menschen geht, die menschliche Nähe brauchen.

Wie jeder Wachstumsmarkt lockt auch das Gesundheitswesen private Akteure auf den Plan. Es gibt immer mehr Privatspitäler, die mitfinanziert werden. Mit dem Plan einer einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen sollen diese Spitäler noch mehr Mittel aus der ordentlichen Krankenversicherung erhalten. Zunehmend mehr Gewinne werden aus öffentlich finanzierten Leistungen abgeschöpft und viele der Aktionäre sitzen irgendwo im Ausland. Die SP hat in ihrem Gesundheitspapier  «Teurer Wettbewerb – für ein öffentliches Gesundheitswesen» schon 2016 ein Gewinnverbot aus öffentlich und mit Krankenkassenprämien finanzierten Gesundheitsleistungen gefordert. Auch den Boni ist ein Riegel zu schieben. Die SP hat entsprechende politische Vorstösse eingereicht. Das sind Massnahmen gegen das Kostenwachstum.

Ein grosses Problem sind die unsozialen Kopfprämien und die hohen Eigenbeteiligungen. In keinem anderen europäischen Land bezahlen die Bürger*innen soviel aus der eigenen Tasche wie in der Schweiz und das erst noch unabhängig vom Einkommen. Die Prämienverbilligung für tiefe Einkommen greift viel zu wenig. Viele Haushalte müssen 15 bis 20% ihres Einkommens für die Krankenkassenprämien ausgeben. Darum will die SP Schweiz jetzt mit einer Volksinitiative die Belastung pro Haushalt auf 10 Prozent des verfügbaren Einkommens (unter Berücksichtigung des Vermögens) fixieren. Dies hilft Familien und Einzelpersonen in knappen und mittleren Verhältnissen, die mit den hohen Krankenkassenprämien zu kämpfen haben.

Die SP unterstützt sinnvolle Massnahmen, die die Kosten dämpfen.  Dazu gehören eine Tarifstruktur, die Fehlanreize beseitigt, und eine bessere Betreuung und Koordination von chronisch Kranken. Doch wehren wir uns gegen Leistungsabbau und eine Zweiklassenmedizin. Denn schliesslich dürfen wir nicht vergessen: Unser Gesundheitswesen hat zwar seinen Preis, aber es hat auch einen grossen volkswirtschaftlichen und sozialen Wert.