Artikel erschienen im Links Januar 2014

 

Im Oktober letzten Jahres reiste eine Gruppe (6 NationalrätInnen, 5 Begleitpersonen) nach Kosova. Initiiert wurde die Reise durch unseren Appenzeller Genossen Martin Pfister, der seit vielen Jahren private Kontakte zum Land pflegt. Dies ermöglichte eine vielfältige Reise mit privaten und persönlichen sowie offiziellen Kontakten und Besuchen. Beweggründe für unsere Reise waren, dass die Schweiz heute eine grosse Diaspora von KosovoalbanerInnen beheimatet, eine aktive Rolle in der Friedenssicherung und im Aufbau ziviler Strukturen spielt, aber auch das ungelöste Problem mit dem Sozialversicherungsabkommen. Diese Themen wollten wir Ort vertiefen und uns direkt informieren und das Land kennenlernen, aus dem so viele unserer MitbürgerInnen stammen. Begleitet wurden wir teilweise vom ehemaligen Schaffhauser Stadt- und Kantonsparlamentarier Osman Osmani, einem in der Diaspora aktiven Kosovaren.

 

 

Einen sehr guten Einblick ermöglichte uns der Besuch auf der Schweizer Botschaft in Prishtina, wo uns Botschafterin Kristina Marty und ihr Team sehr breit informierten. Sie beeindruckten uns mit ihrem breiten Tätigkeitsfeld und überzeugten mit viel Herzblut für ihre Arbeit (u.a. konsularische Tätigkeit für 3 weitere Länder, Rückkehrabklärungen, politische Aufbauarbeit und Wirtschaftshilfe). Die Botschaft organisierte für uns ein Treffen mit Parlamentsmitgliedern verschiedener Parteien, allerdings war keine Vertretung der Regierungspartei dabei. Im Gespräch kam nebst den unterschiedlichen Haltungen ihre gemeinsame Kritik an der Regierung zur Sprache. Nach wie vor herrscht grosse Korruption und Klientelwirtschaft, sehr viele staatliche Einrichtungen werden privatisiert. Und der Aufbau von Gesundheits- und Bildungswesen kommt nur schleppend voran. Als grosses Problem wurde von allen die sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit benannt. Zusätzlich traf sich eine Delegation mit VertreterInnen von Lëvizja VETËVENDOSJE! – einer linken Bewegung Kosovas. Ein Besuch der KFOR-Truppen im Norden des Landes war angesichts der Verlängerung des Swisscoyeinsatzes, über welche wir im Laufe von 2014 im Parlament entscheiden müssen, sehr wertvoll. Dieser friedenssichernde Einsatz und die Monitoringfunktion haben eine wichtige Bedeutung für das Land, die Dienste der Schweiz sind anerkannt und die KFOR-Truppe im Norden ja seit kurzem unter Schweizer Kommando. Kurz vor den lokalen Wahlen wurde insgesamt von einer angespannten Situation und von Aufrufen zum Wahlboykott berichtet.

 

Das Engagement für die Zivilbevölkerung wurde uns mit der Besichtigung eines Gesundheitszentrums in Prishtina und durch die Vorstellung zweier Projekte im Gesundheitsbereich zur Unterstützung einer Krankenversicherungsreform und in der Milchbranche durch das Hilfswerk Solidar näher vorgestellt (weitere Informationen unter www.solidar.ch).

 

Im Südosten des Landes besuchten wir eine Grundschule, wo wir mit den Verantwortlichen der Lokalregierung und Lehrpersonen sprechen, aber auch den Unterricht besuchen und mit Kindern austauschen konnten. Positiv überrascht durch die Herzlichkeit und den direkten Zugang im Unterricht, die gute Aufmerksamkeit der Kinder, negativ die geringe Ausstattung der Schule, die nur wenig Entwicklung ermöglicht. Erfreulicherweise wurde bereits auf unserer Reise ein Austausch zwischen der Schule von Xërxë und Herisau vereinbart.

 

Das Sozialversicherungsabkommen ist derzeit sistiert. Dies ist ein grosses Problemen, weil Renten, die nach 2010 fällig wurden, derzeit nicht ausbezahlt werden können, und so Menschen, die in der Schweiz gearbeitet haben und jetzt wieder in Kosova leben, keinen Zugriff auf ihre Altersguthaben haben. Einerseits versuchten wir aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen auf kosovarischer Seite für die Gegenseitige Umsetzung geschaffen werden müssen, andererseits war es uns auch wichtig zu betonen, wie wichtig uns eine rasche Umsetzung ist, damit die Betroffenen endlich zu ihren verdienten Renten kommen.

 

Mit vielfältigen, teilweise auch widersprüchlichen Eindrücken kehrten wir in die Schweiz zurück. Diese Reise hat uns aufgezeigt, dass vieles noch labil ist, die demokratischen Strukturen erst im Aufbau begriffen sind und nach wie vor starke klientelistische Strukturen herrschen. Das Engagement der Schweiz ist auch in naher Zukunft wichtig, insbesondere zur Stärkung der Zivilgesellschaft sowie auch eines nachhaltigen Wirtschaftsaufbau. Wir wollen die Diaspora aktiv unterstützen, den kulturellen Austausch fördern (zb. mit Städtepartnerschaften) und uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass das Sozialversicherungsabkommen erneuert wird, damit die Renten wieder ausbezahlt werden können.

 

 

Barbara Gysi, Nationalrätin und Martin Pfister, SP AI