Am kommenden Wochenende entscheidet der Kanton St. Gallen, ob die Pauschalbesteuerung reicher Ausländer abgeschafft wird. In je einem Beitrag können Befürworter und Gegner der Abschaffung an dieser Stelle nochmals ihre Argumente darlegen. Heute: SP-Kantonsrätin Barbara Gysi für die Initiative zur Abschaffung.
St. Galler Tagblatt, Podium vom 22.November 2011
Teilen Sie die Auffassung, dass wir den Grundsätzen der schweizerischen Verfassung nachleben sollen? Und teilen Sie auch die Auffassung, dass Ausländer und Ausländerinnen in der Schweiz keine Sonderrechte geniessen sollen?
Mit der Abschaffung der Pauschalbesteuerung wird eine stossende Ungleichbehandlung beseitigt. Mit der Abschaffung dieses Sonderrechts für ausländische Millionäre stellen wir den Grundsatz unserer Verfassung wieder her, dass jede und jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird.
Im Kanton St. Gallen tragen die 87 pauschalbesteuerten Ausländer gerade mal 0,2 Prozent unserer gesamten Steuereinnahmen. Sie bezahlen durchschnittlich 70 000 Franken Steuern, obwohl sie im Ausland unter Umständen Millionen verdienen und auch Millionen Vermögenswerte besitzen.
Profiteure ohne Beteiligung
Das Instrument der Aufwandbesteuerung unterläuft die Steuergerechtigkeit in unserem Land und treibt die Liegenschaftenpreise in die Höhe. Mit dem Lockvogelangebot Pauschalsteuer werden einzelne, äusserst vermögende Ausländer angezogen, welche dann oftmals für überteuerte Grundstücke oder Mieten beste Lagen nutzen oder gar auf nicht eingezonten Grundstücken Villen errichten wollen. Sie profitieren von allen Angeboten der schönen und sicheren Schweiz, beteiligen sich aber kaum daran, weil sie ein Sonder-Steuerangebot erhalten haben.
Dass an diesem Modell etwas faul ist, und dass es die Steuergerechtigkeit und Solidarität in unserem Land aushöhlt, haben verschiedene Gruppen längst gemerkt. So hat die Stimmbürgerschaft in den Kantonen Zürich und Schaffhausen der Abschaffung des Privilegs Pauschalsteuer an der Urne zugestimmt.
Im Kanton St. Gallen wurde auf Initiative des damaligen Stadtpräsidenten von Rapperswil-Jona und heutigen Regierungsrats Benedikt Würth, CVP, im Kantonsrat eine Standesinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung überwiesen und von der Regierung in Bern engagiert vertreten. Doch leider ist die Mehrheit im Bundesparlament nicht zur Einsicht gelangt, dass diese Steuerungerechtigkeit beseitigt werden muss. Darum muss der Druck weiterhin aus den Kantonen kommen.
Gegenvorschlag nur Kosmetik
Regierung und Kantonsrat anerkennen, dass die Pauschalbesteuerung ungerecht ist, und unterbreiten darum einen Gegenvorschlag. Doch dieser ist nicht tauglich und lediglich Kosmetik. Als massgeblicher Aufwand soll neu anstelle des fünffachen Mietzinses oder Eigenmietwertes der Siebenfache herangezogen werden, und der Mindestbetrag des steuerbaren Vermögens wird erhöht. Mit dieser Massnahme verdoppeln sich in etwa die Steuerbeträge. Das Grundproblem, die Ungleichbehandlung von Ausländern und Schweizern wird nicht beseitigt, sondern durch die Bestätigung der Pauschalsteuer weiter zementiert.
Die Gegnerschaft der Initiative argumentiert insbesondere damit, dass bei der Abschaffung der Pauschalsteuer viele Betroffene wegzögen, und dem Kanton Einnahmen verloren gingen. Dieses Argument greift viel zu kurz. Die Erfahrungen aus Zürich zeigen, dass zwar ein Teil dieser Personen wegzieht, aber diejenigen, die bleiben, ein vielfaches des bisherigen Steuerbetrages entrichten. Dazu kommt: Wenn durch den Wegzug pauschalbesteuerter Ausländer Topwohnlagen freiwerden, werden diese wiederum durch vermögende Personen besetzt, denn nur diese können sie sich leisten. Unter dem Strich werden wir also mit der Abschaffung der Pauschalsteuer nicht weniger, sondern mehr Steuereinnahmen erhalten. Und Hand aufs Herz, wollen Sie wirklich Hand bieten für ausländische Steuernomaden, die nur gerade aus steuerlichen Gründen ihre Zelte bei uns aufschlagen? Wollen wir nicht lieber Leute in unserem Kanton haben, die sich bewusst für uns entscheiden, weil es ihnen hier gefällt?
Darum ist klar: Am 27. November muss mit dem Ja zur Initiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer der Verfassungsgrundsatz und die Steuergerechtigkeit wieder hergestellt werden. Der Gegenvorschlag ist abzulehnen, weil er kein taugliches Mittel ist.