Die Frühjahrssession folgt auf einen geschichtsträchtigen Abstimmungssonntag. Die hohe Zu­stimmung zur Abzockerinitiative wirft Wellen weit über die Schweiz hinaus. Die Wut über die Selbst­bedienungsmentalität der Manager ist riesig, auch wenn diese Initiative Abzockerei nicht verhindern wird. Bundesbern wankt kurzfristig, doch lange hält es nicht an. Sämtliche Vorstösse zu Korrekturen Unternehmenssteuerreform II und Kapitaleinlageprinzip werden abgeschmettert, die Ladenöffnungszeiten verlängert.

Die Session beginnt mit der Vereidigung von vier neuen Nationalrätinnen. Neu ist auch meine St. Galler SP-Kollegin Claudia Friedl, nachdem Hilde Fässler zurückgetreten ist. Mit Hilde verlieren wir eine versierte Finanz- und Steuerpolitikerin, die immer die Sache im Vordergrund sah und nichts für „Politainment“ übrig hatte. Ich habe viel von Hilde gelernt und viele Jahre mit ihr zusammen­gearbeitet, ich werde sie vermissen, gönne ihr aber den neuen Freiraum.

Dann folgten rasch zwei bedeutende Abstimmungen. Die zweite Differenzbereinigung zur Höhe der Autobahnvignette, mittlerweile stand als Kompromisslösung 80 Franken zur Abstimmung oder 100 Franken, worauf der Ständerat beharrte. 100 Franken obsiegte, meine Zustimmung gab es dazu nicht, denn ich befürchte stark, dass mit den zusätzlichen Einnahmen unnötige Strassen­projekte wie etwa der zweite Gotthardstrassentunnel forciert werden. Erfreulicher war die Zu­stimmung zur Aarhus-Konvention, einem wichtigen Umweltschutzabkommen.

Gesundheitsthemen und erneuerbare Energien

Die Zulassungsregulierung für SpezialärztInnen, die Initiative zur Hausarztmedizin und der Gegen­vorschlag waren mir wichtige Geschäfte. Die Hausarztmedizin wird bei uns in St. Gallen seit vielen Jahren mit Spezialprogrammen gefördert, nachdem ein Bericht im Jahre 2008 Alarm ausgelöst hatte. 40 % aller St. Galler Hausärzt/innen waren damals über 55 Jahre alt. Ich habe zu Initiative und Gegenvorschlag, die ich beide unterstütze, im Rat gesprochen und einen Bezug zu unseren St. Galler Erfahrungen geschaffen. In der Grundversorgung braucht es zusätzliche Anstrengungen, damit wir genügend HausärztInnen haben und zwar auch in den Randregionen. Es braucht auch neue Arbeitsmodelle, damit die Belastungen besser verteilt sind. Der Masterplan von Bundesrat Berset soll hier Abhilfe bringen. Wenn er zum Fliegen kommt, wird die Initiative wohl zurück­gezogen.

Ob der Gripen in der Schweiz je zum Fliegen kommt, ist nach dem überraschenden Nein des Ständerats zur Finanzierung eine offene Frage. Sollte der Kampfjet-Kauf in den Räten durch­kommen, wird es auf jeden Fall ein Referendum gegen den Gripenfonds geben. Im Januar hat der Bundesrat meine beiden Interpellationen zu den Kampffliegern beantwortet. So weiss man jetzt, dass eine Flugstunde mit dem F-5 Tiger 17‘000 Franken und eine mit dem F/A-18 Hornet 29‘500 Franken, im Jahr 2011 41‘120 Liter Kerosin verbraucht wurden.

Wichtige Geschäfte waren auch die Revision des Bürgerrechtsgesetzes, die Revision des Lebensmittelgesetzes und die Debatte über die erneuerbaren Energien. Als ehemalige Ein­bürgerungs­rätin habe ich viele positive Erfahrungen mit jungen Einbürgerungswilligen gemacht und bedaure darum sehr, dass Jugendlichen keine Erleichterungen gewährt werden.

Etwas komisch war für mich als Vegetarierin, dass ich mich bei der Lebensmittelgesetzdebatte für die Gebühren der Fleischkontrolle stark gemacht habe. Für St. Gallen hätte die Abschaffung Einnahmenausfälle von 3 Mio. Franken zur Folge, die Bauernlobby sollte sich nicht schon wieder durchsetzen doch die KonsumentInnen einwandfreie Ware erhalten.

 

Leider hatte unsere Cleantech-Initiative im Rat keine Chance, doch die als Gegenvorschlag verstandene Motion der UREK für eine Erhöhung der Kostendeckenden-Einspeise-Vergütung KEV bei gleichzeitiger Entlastung energieintensiver Anlagen ist ein Quantensprung. Selbst am Swissmem-Anlass wies man uns darauf hin, diese Motion unbedingt zu unterstützen. Auf meine Frage zum neuen GAV der Metallindustrie und Mindestlöhnen war der Präsident Hans Hess dann allerdings um einiges zugeknöpfter.

Vorbereitung und Ankündigung

Wir behandelten in dieser Session keine Geschäfte aus der Finanzkommission, ich nutzte aber die Session für viele Gespräche und Abklärungen zum wichtigen Geschäft Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket (KAPG). Ich will etwa untersuchen, welche Auswirkungen die Ein­sparungen bei J+S Kursen, Lagerbeiträgen und das Verschieben der Kosten im Kultur­güterschutz auf die Kantone haben. Die Halbierung des Zinssatzes für die Verzinsung der IV-Schuld im AHV-Fond schaue ich mir vertieft an ebenso wie die massiven Aufstockungen beim Armeeplafond. Im April und Mai werden wir das KAPG in der Finanzkommission und Subkommission beraten. Der Bundesrat will rund 700 Mio. jährlich einsparen. Im Vergleich zum 3. Sparpaket in St. Gallen mit 150 Mio. ist das wenig, aus unserer Sicht ist es aber unnötig, denn gleichzeitig werden der Bundes­kasse Überschüsse von 600 Mio. prognostiziert und ohne Kampfflieger (300 Mio. für den Gripen­fonds) wäre da noch mehr Spielraum. Vielmehr fordern wir Korrekturen bei der USR II, die jährlich gegen eine Milliarde Mindereinnahmen bringt und dazu führt, dass Konzerne wie Glencore 4 Mia. Gewinn machen kann, aber null Franken Gewinnsteuer bezahlen muss.

Mitten in der Session lancierten wir einen Primeur. Mehrere unserer Vorstösse zu einer Finanz­transaktionssteuer wurden abgeschmettert, zuletzt im Ständerat, wo die mündliche Begründung von Bundesrätin Widmer-Schlumpf eher zustimmend ausfiel. Nachdem nun auch einige EU-Staaten Finanztransaktionen besteuern wollen, schien uns der Zeitpunkt gekommen unser Initiativprojekt öffentlich zu machen. Ich habe viele positive Signale bekommen, das Verschieben von Finanz­papieren solle besteuert werden, insbesondere weil wir dies nicht Alleingang, sondern im Zusammen­spiel mit den 11 EU-Staaten machen wollen.

Die Session ist vorbei, doch noch vor Ostern führt die Arbeitsgruppe zur Insieme-Untersuchung eine Anhörung von Bundesrätin Widmer-Schlumpf durch und Mitte April ruft uns die Sondersession.