Mitten im Abstimmungskampf zur öffentlichen Krankenkasse hat die Herbstsession begonnen. Die Krankenversicherungen beschäftigten uns auch in der Session. Viel Zeit hat sich meine Fraktion genommen, um über aktuelle Themen ausserhalb der ordentlichen Traktandenliste zu diskutieren.
Krankenversicherungsthematik und Lobbypolitik
Nach langem Hin und Her und nur unter dem Druck der bevorstehenden Volksabstimmung wurde endlich das Gesetz über die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung (KVAG) verabschiedet. Das KVAG bringt bessere Aufsichtsmöglichkeiten über die Krankenkassen. Selbst in dieser Session gab es Widerstand der Krankenkassenlobby gegen Eintreten, mit zahlreichen Helfern. Einzelne Kassen haben gar einen direkten Arm in die Sozial- und Gesundheitskommission (SGK), z.b. mit Jürg Stahl, der einer von 3 Groupe Mutuel Verwaltungsräten in der SGK ist und als Postadresse für Nationalratspost sogar die Groupe Mutuel angibt! Nicht gelungen ist es die Gruppenaufsicht im KVAG zu verankern. Das wäre wichtig, weil immer mehr Versicherungen Gruppen bilden und so miteinander verlinkt sind.
Wie wichtig eine gute Aufsicht und Kontrolle sind, zeigte auch der Spitalkostenskandal der CSS, über welchen auch die Medien letzte Woche berichteten. Die CSS hat über mehrere Jahre verschiedenen Kantonen Kosten für Spitalaufenthalte ausländischer Studenten zu Unrecht in Rechnung gestellt und muss nun den Kantonen Millionen zurückzahlen.
Einen unglaublichen Entscheid fällte der Nationalrat fast unbemerkt. Im Titel kam er verschleiernd als Gegenvorschlag zum Zulassungsstopp daher, inhaltlich fordert die Motion die Aufhebung des Vertragszwangs für Ärzt/innen. Durchgeboxt wurde es von SVP-Mann Jürg Stahl mit 128 zu 58 Stimmen gegen Rot-Grün. Ein Skandal insbesondere darum, weil die Bürgerlichen im Abstimmungskampf unterstellen mit der öffentlichen Krankenkasse würde die freie Arztwahl eingeschränkt. Dabei sind es die Bürgerlichen, die den Versicherten diese Verschlechterung bescheren.
Weiterhin Bundesgelder für den Aufbau von Kinderbetreuungsangeboten
Ein wichtiger Erfolg ist die Weiterführung der Anschubfinanzierung für familienergänzende Kinderbetreuung. Ab 2015 stehen weiterhin 120 Million dafür bereit. Gerade für die Ostschweiz ist dies von grosser Bedeutung, weil wir noch längst nicht genügend Plätze haben. Vor der Debatte fragte mich ein Wiler Schulrat, ob die Stadt beim nächsten Ausbauschritt nochmals von der Anschubfinanzierung profitieren kann. Ich denke, dass es möglich ist.
Viele Vorstösse behandelt – ein paar Beispiel mit teils Kuriosen Anliegen
Wir haben ausgesprochen viele Vorstösse behandelt, es waren gegen 100. In der 1. Phase jeweils mit einem max. 5-minütigen Statement der Verfasserin sowie einer Begründung durch den/die zuständige Bundesrätin/Bundesrat. Abgelehnt wurde Entwicklungshilfegelder als Druckmittel in der Migrationspolitik einzusetzen, Schneesocken – was ist denn das, fragt man sich – anstelle von Winterpneus zuzulassen, ein Tag der Bienen einzuführen. Das Ansinnen der SVP, das Völkerrecht auszuhebeln wurde klar verworfen, ebenso unser Versuch Transparenz in die Finanzströme im Rohstoffhandel zu bringen. Es gibt weiterhin keine Geschlechterquoten in der Verwaltung, keinen Bericht über die Auswirkungen von Stress am Arbeitsplatz, jedoch muss der Bundesrat die Auswirkungen einer höheren Quellensteuer für italienische Grenzgänger aufzeigen und neu werden Schaumweine dem Importkontingent für Wein angerechnet. Und wie jede Session wurden am zweiten und dritten Montag zahlreiche Fragen in der Fragestunde gestellt. Meine beiden zum Tarifstreit Physiotherapie wurden von Bundesrat Berset positiv beantwortet und rasches Handeln versprochen.
Am letzten Sessionstag haben wir noch ein Vorstosspaket Transparenz statt Polemik in der Sozialhilfe eingereicht. Als ehemalige Sozialvorsteherin empfinde ich die polemische Debatte als unsäglich, statt die wirklichen Probleme und Nöte der Betroffenen anzusprechen und endlich einen Soziallastenausgleich zu schaffen, diffamiert man bedürftige Menschen.
Alpenschutz und nachhaltiger Mitteleinsatz statt einer 2. Autobahnröhre
Um Alpenschutz und effektiven Mitteleinsatz geht es bei der Gotthard-Debatte. Eine zweite Autobahnröhre würde klar mehr kosten als die Sanierung des bestehenden und Huckepackbetrieb während der Bauzeit, das ist nachhaltiger im finanziellen und ökologischen Sinn. Zudem kommt dass alle Gelder, die am Gotthard verlocht werden, im Agglomerationsverkehr fehlen. Darum muss man sich gut überlegen, wo die Mittel verbaut werden sollen. Das Argument der zusätzlichen Sicherheit ist nicht stichhaltig, wird die Verbesserung bereits mit 3-5% Mehrverkehr bereits wieder aufgehoben. Doch brauchen wir einen zweiten Auto-Tunnel oder haben wir gar schon einen? Es gibt Leute, die das zumindest meinen. Denn, als wir nach dem Filmfestival Locarno mit dem Zug die Gotthardlinie befuhren, so hörten wir, wie eine Dame ausländischen Besuchern erklärte, wir bekämen eine neuen Strassentunnel – NEAT hiesse der, das bedeute der neue Autotunnel. Schmunzelnd habe ich sie unterbrochen und ihnen erklärt, dass die NEAT die neue Eisenbahnalpentransversale sei und die Reisezeit massiv verkürzen werde.
Zahlreiche Schlussabstimmungen und Beschlüsse
Zahlreiche Vorlagen konnten bereinigt und in die Schlussabstimmung gebracht werden. Das Auslandschweizergesetz, Informationsrechte des Opfers im Opferhilfegesetz, Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) wurden verabschiedet. Wie bei der 2.Gotthard-Röhre wird wohl auch beim RTVG das Referendum ergriffen. Die Volksinitiativen Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen und Energie- statt Mehrwertsteuer sind bereit fürs Volksvotum. Anderes wurde früher gestoppt, so etwa das Kartellgesetz, auf dessen Revision nach heftiger Debatte vom Nationalrat zum zweiten Mal nicht eingetreten wurde und die somit in dieser Form vom Tisch ist.
Engagierte Diskussionen
Zeit und Raum nahmen bei uns fraktionsinterne Diskussionen und Informationen ein; zur Situation in der Ukraine und die Sanktionenfrage, die Flüchtlingssituation und der Krieg in Syrien, die Bedrohung durch IS ebenso wie rassistische Hetze in Social media. Wir haben mit interessanten externen Gästen darüber gesprochen. Diese Themenblöcke sind wichtige Vertiefungen und Auseinandersetzung. Sie führen oft nicht zu schnellen Lösungen, sind aber wichtig für die Meinungsbildung. Die internationale Situation wie auch das Verhältnis zur EU beschäftigen uns stark.
Aufgeregt hat mich der menschenverachtende Vorstoss der SVP, der die europäische Operation Mare Nostrum kritisiert und das Flüchtlingselend verharmlost; genervt haben die Steuerpraxis der Firma Ammann und die Rechtfertigungen von BR Schneider-Ammann. Bei der 1zu12-Abstimmung hat er sich als anständigen Unternehmer präsentiert. Unanständig haben sie Gewinne abgezügelt, Steuern gespart und mitgeholfen dem Staat zu schaden, das ist unglaubwürdig und inakzeptabel.
Gespannt auf den Abstimmungssonntag traten wir alle die Heimreise an, für mich nur ein kurzer Halt zu Hause, weil bereits ab nächster Woche die Budgetberatung beginnt. Dazwischen bleibt dann hoffentlich Zeit für ein paar Wandertage in bunten Herbstwäldern und mit klarer Fernsicht.