Vor gut einer Woche habe ich bekannt gegeben, dass ich für die Nachfolge von Paul Rechsteiner an der Spitze des Schweizer Gewerkschaftsbundes SGB kandidiere. 

Gewerkschaftliches Engagement ist für mich seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit: Ich trat  1989, während meiner Ausbildung zur Sozialpädagogin, dem VPOD bei, 1995 wurde ich aus Solidarität mit den Verkäuferinnen Mitglied der Unia. Ich engagiere mich schon seit vielen Jahren beim St. Galler Gewerkschaftsbund, den ich seit 2012 präsidiere. Zudem bin ich Präsidentin des Personalverbands des Bundes PVB, der angekündigt hat, dass er meine Kandidatur unterstützt.

Starke Gewerkschaften gegen neoliberalistische Tendenzen

Die Gewerkschaften sind heute wichtiger denn je. Neoliberale Tendenzen führen dazu, dass die Rechte der Arbeitnehmenden immer stärker unter Druck geraten. Unter dem Deckmantel der Wirtschaftsförderung wird versucht, Schutzbestimmungen ausser Kraft zu setzen. Unsere FDP-Bundesräte versuchen, auf Kosten der Arbeitnehmenden die flankierenden Massnahmen aufzuweichen. Im Parlament betreibt die rechte Mehrheit des Nationalrats Abbaupolitik, der Ständerat schraubt am Arbeitsrecht. Die Arbeitgeber nutzten den Frankenschock aus, um die Mitarbeitenden auszupressen, wo sie nur können. Die Digitalisierung wird herangezogen, um ein neues Prekariat zu schaffen. Viele kommen mit ihren Löhnen kaum mehr über die Runden, während jene mit hohen Löhnen hemmungslos weiter absahnen. 

Ich stamme aus einem Grenzkanton und kenne die Bedeutung der Flankierenden Massnahmen aus der Gewerkschaftsarbeit. Wir kämpfen im Kanton St. Gallen für die strikte Um- und Durchsetzung der FlaM.

Arbeitnehmerrechte sind Arbeitnehmerinnenrechte

Meine Kandidatur für das Präsidium ist einerseits dadurch motiviert, dass ich mich mit aller Kraft gegen diese unsozialen Tendenzen einsetzen will. Zum anderen ist es Zeit, dass in den Gewerkschaften vermehrt die Situation der Arbeitnehmerinnen in den Fokus rückt. Wenn wir eine bessere Vertretung der Frauen in den Führungsgremien der Wirtschaft und in der Politik fordern, dürfen wir die Gewerkschaften nicht davon ausnehmen. Mit 30 Prozent Frauen in den Führungsgremien des SGB erreichen wir nur gerade das von den Statuten vorgegebene Ziel. Das reicht nicht. 

Die Probleme der Frauen in der Arbeitswelt sind zahlreich: Frauen arbeiten öfter im Niedriglohnbereich, sie arbeiten häufiger Teilzeit, Berufe mit einem hohen Frauenanteil werden schlechter bezahlt, ein Grossteil der unbezahlten Familien-, Betreuungs-, Haushalts- und Pflegearbeit wird von Frauen geleistet. All dies bezahlen die Frauen zudem mit niedrigeren AHV- und Pensionskassenrenten, so sie denn überhaupt eine erhalten. Dass Altersarmut weiblich ist, darf die Gewerkschaften nicht kalt lassen.

Gesamtarbeitsverträge für alle

Nur die Hälfte der Arbeitsverhältnisse in der Schweiz untersteht einem GAV. Der Ausbau der GAV ist eine zentrale Forderung. Wir streben eine 100-%-ige Abdeckung an. GAV‘s sichern nicht nur gute Arbeitsbedingungen und Löhne, sondern auch die Mitsprache der Belegschaft. In einem ersten Schritt müssen GAV für öffentliche Unternehmen Pflicht sein, auch für Aufträge durch die öffentliche Hand sollen sie ein Kriterium sein. Gerade im Care-Bereich, im Detailhandel – typische Frauenbranchen – gibt es wir kaum Gesamtarbeitsverträge. Hier besteht massiver Handlungsbedarf. Ich konnte dazu beigetragen, dass hier kleine Schritte gemacht wurden: Als Präsidentin einer Stiftung im Behindertenbereich konnte ich kürzlich einen Gesamtarbeitsvertrag unterzeichnen, erst der 3. dieser Art in der Ostschweiz. Neben guten GAV’s müssen wir weiterhin gute Löhne und Arbeitsbedingungen, die im öffentlichen Bereich öffentlichem Recht gelten, erhalten und ausbauen. 

Für sichere Renten

Der Einsatz für anständige Renten ist für mich als Politikerin eine Schwerpunktthema. Die Gewerkschaften müssen hier ebenfalls aktiver werden. Wie schon erwähnt ist Altersarmut weiblich – nicht zuletzt, weil Frauen häufiger Teilzeit arbeiten, tiefere Löhne haben, mehr unbezahlte Arbeit leisten. Die Anrechnung der unbezahlten Arbeit ist nur ein Punkt. Sondern es gilt auch hier, sich für Geschlechtergleichheit einzusetzen. Arbeitnehmende, die harte körperliche Arbeit leisten, sollen unabhängig von ihrem Geschlecht ohne Renteneinbusse frühzeitig in Pension gehen können. Es ist für mich nicht einsichtig, dass das Heben von schwerem Gerät und Ziegelsteinen und das Mobilisieren von Patientinnen ungleich behandelt werden sollen.

Die Digitalisierung – ein grosse Herausforderung

Wer von uns besitzt kein Handy? Die Digitalisierung ist selbst in unserem Alltag allgegenwärtig. Und sie verändert die Arbeitswelt markant. Eine grosse Herausforderung für alle Arbeitnehmenden und die Gewerkschaften. Gewisse Stellen fallen weg, andere geschaffen. Aufgaben verändern sich und neue Arbeitsformen kommen dazu. Ich will die Fragen, die sich stellen aktiv angehen und die Sorgen und Nöte aufnehmen. Lohnabhängige müssen auch zukünftig anständige Jobs und sichere Anstellungsbedingungen haben.

Eine grosse Aufgabe – aber ich bin bereit

Paul Rechsteiner hat in der Zeit seines Präsidiums grossartige Arbeit geleistet. Nach mehr als zwanzig Jahren ist es nun Zeit, dass wieder eine Frau an der Spitze des SGB steht. Ich bin mir bewusst, dass mir im Fall einer Wahl keine sanfte Brise entgegenweht. Was es heisst, wenn eine von rechtsbürgerliche dominierte Mehrheit das Sagen hat, erfahre ich in der laufenden Legislatur in der nationalen Politik beinahe täglich. Das war auch all  die Jahre in der Ostschweiz täglich Brot. „Never surrender“ – nicht aufgeben, weiterkämpfen. Das war immer mein Motto – und wird es auch im Fall einer Wahl zur SGB-Präsidentin bleiben. 

Medienberichte

Tages-Anzeiger 4. September 2018

Wiler Zeitung 5. September 2018

Regionaljournal Ostschweiz 5. September 2018

Work 14. September 2018

SRF vom 5. September 2018