Um den Medikamentenmangel zu bekämpfen, braucht es eine stärkere Regulierung

Die Liste der nicht verfügbaren Medikamente und Wirkstoffe wird länger und länger. Die Ursachen für den Medikamentenmangel sind vielschichtig. Die Produktion vieler gängiger Präparate oder der Ausgangssubstanzen wurde ins ferne Ausland verlagert. Die Grosspharma konzentriert sich stattdessen auf die Entwicklung von neuen, hochpreisigen Medikamenten und lobbyiert für deren Zulassung und Vergütung. Das Problem betrifft nicht nur die Schweiz, sondern auch die EU. Diese will mit einem solidarischen Vorgehen die Lage entschärfen. Ob die Schweiz hier mitmachen kann, ist offen. Erschwerend hinzu kommt, dass die Schweiz ein kleiner Markt mit eigenen Vorgaben für die Medikamentenzulassung, Verpackungen und Information ist. Zwar verfügen wir mit dem Bundesgesetz über die Wirtschaftliche Landesversorgung über das Instrument der Pflichtlager. Doch müsste dieses dringend um weitere Wirkstoffe erweitert werden.

Verschwendung wegen Mehrfachverordnungen und Fehleinschätzung koste 360 Millionen

Doch auch die grosse Verschwendung von Medikamenten trägt zur Verknappung der Wirkstoffe bei. Geschätzt 5 Prozent der Medikamente mit einem Gegenwert von rund 360 Millionen Franken werden entsorgt[1]. Gründe dafür sind auf ärztlicher Seite Mehrfachverordnungen und die Fehleinschätzung beim Bedarf. Auf Seiten der Patientinnen und Patienten führen Wissensdefizite und fehlende Motivation zur Einnahme dazu, dass Medikamente entsorgt werden. Abhilfe schaffen kleinere Packungsgrössen, eine bessere Beratung der Patientinnen und Patienten sowie eine bessere Koordination.

Koordiniertes Vorgehen gegen den Mangel

Der Bund ist nicht untätig und hat im Frühling eine Task Force eingesetzt. Wie so oft im Gesundheitswesen ist jedoch nicht klar, wer den Lead übernimmt und wie die Koordination sichergestellt wird. Um die Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Medikamenten entsprechend des Bedarfs sicherzustellen, braucht es in einem ersten Schritt klare Zuständigkeiten. Dann gilt es, die Situation zu analysieren und ein Massnahmenbündel zu schnüren, um das Problem zu lösen. Hebel dafür sind eine Meldepflicht für alle verschreibungspflichtigen Medikamente, Bestimmungen bezüglich des Pflichtlagers in der Armeeapotheke, optimierte Verpackungseinheiten und, wenn nötig, Vorgaben des Bundes für die inländische Produktion der wichtigsten Medikamente und Antibiotika mit Zusammenarbeitsverträgen mit Spitalapotheken und Herstellerfirmen. Die Gesundheitsversorgung ist ein Verfassungsauftrag, der aktuell offensichtlich auch mit stärkerer staatlicher Regulierung sichergestellt werden muss.

Der Artikel erschien zuerst im CSS-Dialog

[1] Bericht des Bundesrat zum Postulat Stopp der Medikamentenverschwendung! Bericht BR D.pdf (parlament.ch) von 2022