Nachdem der Ständerat in der Frühlingssession griffige Massnahmen zur Umsetzung der Lohngleichheit einmal mehr auf die lange Bank geschoben hat, ist die Wirtschaft erst recht in der Pflicht.
Siebenunddreissig Jahre nachdem die Lohngleichheit in der Verfassung steht, sind Frauen- und Männerlöhne immer noch nicht gleich hoch: Frauen verdienen nach wie vor weniger als Männer, und die Differenz lässt sich nicht restlos mit unterschiedlicher Berufserfahrung, Ausbildung oder Verantwortung erklären. 7.8 Prozent bleiben als „nicht erklärbarer“ Rest stehen. Das ist nicht einfach ein individuelles Problem der Frauen: Zusammengerechnet fehlen den Frauen und mit ihnen zahllosen Familien rund 7.7 Milliarden Franken im Portemonnaie – und sind so auch dem Wirtschaftskreislauf entzogen. Die Lohndiskriminierung schlägt sich aber auch in der Zukunft nieder, als Folge von tieferen AHV- und BVG-Renten der Frauen. Das betrifft ebenfalls die Gesellschaft als Ganzes. Altersarmut ist bereits heute in hohem Mass weiblich. Die nicht gerechtfertigte Lohnungleichheit belastet die Sozialwerke, indem Frauen eher auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein werden, weil es einfach nicht reicht.
Doch die Wirtschaft schneidet sich auch aus einem anderen Grund ins eigene Fleisch, wenn sie den Frauen nicht den gleichen Lohn bezahlt wie den Männern: In Zeiten des Fachkräftemangels kann sie es sich einfach nicht leisten, gut ausgebildete Frauen zu verlieren. Denn die Rechnung ist zum Beispiel für eine junge Familie schnell gemacht: Es belastet das Haushaltsbudget weniger, wenn die Frau nach der Geburt der Kinder ihr Pensum reduziert oder gar ganz zu Hause bleibt, als wenn sich die Paare die Familienarbeit teilen. Frauen, die an den Herd zurückkehren, sind aber ein Verlust für die Wirtschaft. Das Geld, das in ihre Ausbildung gesteckt wurde, wird zum Fenster heraus geworfen. Darum lohnt es sich, den Frauen einen gerechten Lohn zu zahlen. Und falls sie diesen nicht einfordern: Bieten Sie ihn von sich aus an und gewinnen Sie so eine motivierte Mitarbeiterin, die Ihr Team bereichert.
Kolumne zuerst erschienen in Leader April 2018