Heute, am 12. Mai feiern Pflegefachpersonen auf der ganzen Welt den internationalen Tag der Pflege. Eine gute Gelegenheit, einmal darüber nachzudenken, was wir an ihnen haben und danke zu sagen.

Wir sind hochgradig auf sie angewiesen, wenn es uns wirklich schlecht geht. Oft wollen wir aber lieber nicht genau wissen, was sie eigentlich tun. Denn es sind unangenehme Gedanken: Ich liege nach einer Operation hilflos im Spital und weiss, dass der Gang zur Toilette nicht aus eigener Kraft zu schaffen ist. Ich lebe verwirrt in einem Pflegeheim und die nächsten Verwandten erscheinen als Fremde. Ich wache morgens auf und kann mich nicht selber anziehen, geschweige denn in die Badewanne steigen um zu duschen. In all diesen Situationen sind es Pflegefachpersonen, die sich um mich kümmern und dafür sorgen, dass ich meine Menschenwürde behalten kann. Für mich aber sind es Momente der Schwäche, der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins.

Man könnte der Aufzählung noch unzählige weitere Beispiele hinzufügen. Wie ist es mit Ihnen? Ich bin sicher, es ist ihnen auch bewusst, dass unser Gesundheitssystem ohne die gut 90’000 diplomierten Pflegefachpersonen kollabieren würde. Vielleicht haben Sie sogar die Volksinitiative für eine starke Pflege unterschrieben, die der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK eingereicht hat. Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative ab. Man verstehe die Anliegen, aber die eingeleiteten Massnahmen genügten. Ich sehe das anders. Es braucht mehr. Es müssen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um die Pflege zu fördern. Denn die Lage ist mehr als ernst: Über alle Ausbildungsstufen hinweg bildet die Schweiz gerade mal 56 Prozent des benötigten Pflegepersonals aus. Bei den diplomierten Pflegefachpersonen ist es nicht einmal die Hälfte. Stress, familienunfreundliche Arbeitsbedingungen und mangelnde Anerkennung treiben viele aus dem Beruf, nach 10 bis 15 Jahren werfen sie den Bettel hin.

Zurzeit behelfen sich die Betriebe mit Mitarbeitenden aus dem Ausland. Doch das ist keine nachhaltige Strategie. Weltweit werden bis 2030 neun Millionen Pflegefachpersonen fehlen, wie der International Council of Nurses ICN klar macht, der kürzlich die Kampagne „Nursing Now“ lanciert hat. Doch anstatt in Massnahmen gegen den Pflegepersonalmangel zu investieren, werden die Anforderungen gelockert. Man übergibt die Verantwortung für die pflegebedürftigen Menschen an Personal, das nicht dafür ausgebildet wurde und damit überfordert ist. Anschliessend wundert man sich über Missstände in den Pflegeheimen, die der Tages-Anzeiger im April in seinem grossen Altersheimreport offen gelegt hat.

Wenn jetzt nicht alles unternommen wird, um den Personalmangel in diesem für uns alle existenziellen Beruf zu bekämpfen, steuern wir offenen Auges in die Katastrophe. Menschen sterben, wenn Pflegefachpersonal fehlt, wie die amerikanische Pflegewissenschaftlerin Linda Aiken in zahlreichen Studien nachgewiesen hat. Es kommt zu mehr Komplikationen, Infektionen und Rehospitalisationen, wenn das Pflegepersonal zu wenig qualifiziert ist. Das ist nicht nur mit Leid verbunden, sondern führt auch zu hohen unnötigen Kosten. Es lohnt sich also mehrfach, in das Pflegepersonal zu investieren. Und: Pflegefachpersonen sind nicht die Kostentreiber im Gesundheitswesen. Sie sind nicht das Problem, sie sind ein Teil der Lösung für die anstehenden Herausforderungen. Wir brauchen sie!

Heute ist die beste Gelegenheit, den Pflegenden Danke zu sagen für Ihren Einsatz. Für mich war es darum klar, dass ich mich für das Video zur Verfügung stelle, das der SBK zum Tag der Pflege produziert hat. Doch damit ist es natürlich nicht getan. Ich setze mich in der Politik schon lange für die Pflege ein. Sie können das auch, spätestens wenn über die Pflegeinitiative abgestimmt wird.