Vor 50 Jahren wurde in einer Volksabstimmung nach vielen Anläufen das Frauenstimmrecht gutgeheissen. Der Film «Die göttliche Ordnung» hat auf humorvolle und gleichzeitig aufrüttelnde Art den Kampf ums Frauenstimmrecht in Appenzell zum Thema gemacht. Seine Premiere feierte er an den Solothurner Filmtagen 2017, wozu auch zwei der Pionierinnen und ersten Nationalrätinnen eingeladen waren. So kam es, dass ich die erste St. Galler SP-Nationalrätin Hanna Sahlfeld-Singer kennenlernen durfte. Sie war eigens aus Deutschland angereist, wohin sie nach nur vier Jahren im Parlament ausgewandert war, weil ihre Familie in der Schweiz keine gesicherte Existenz mehr hatte: Ihr Mann hatte als Pfarrer keine Stelle mehr gefunden, weil seine Frau politisch tätig war. Seither habe ich in verschiedenen Begegnungen mit ihr über vergangene und aktuelle Politik reden dürfen. Sie hat mir erzählt, wie schwierig der Beginn war. Die Herren waren zwar freundlich, nahmen die jungen Nationalrätinnen anfangs wenig ernst. Auch sei es schwierig gewesen, den Beruf als Pfarrerin, das Mandat in Bern und die Familie mit kleinen Kindern unter einen Hut zu bringen. Nur dank grosser Unterstützung sei das gelungen. Wenn ich meinen jungen Kolleginnen zuhöre, braucht es diese grosse Unterstützung durch das Umfeld auch heute noch. Und doch ist vieles akzeptierter, selbstverständlicher, die Wege geebneter und politisierende Frauen sind nichts «Fremdes» mehr. Wir müssen zwar auch um Redezeit kämpfen, werden angefeindet, teils äusserst primitiv angegriffen – wobei die sozialen Medien eine wichtige Rolle spielen. Doch es gibt heute mehr Netzwerke und geschlechtsspezifische Schulungen und Angebote als damals, die uns unterstützen. Die Frauenwahl 2019 hat im Parlament noch einmal einiges bewegt. Das zeigen auch viele Entscheide, die wir im letzten Jahr gefällt haben. Die grosse Freude von Hanna Sahlfeld-Singer – meine selbstverständlich auch – über die vielen gewählten Frauen, war eindrücklich. Oft sprach ich mit ihr über die Lohngleichheit. Sie hat die Lohngleichheitsdebatten teilweise vor Ort verfolgt. Beim Kaffee hat sie dann ihren Unmut über gewisse Voten kundgetan.

Die Gleichstellung der Frauen* hat Fortschritte gemacht. Wir haben einiges erreicht seit damals und sind doch in vielem noch nicht dort, wo wir sein müssten. Bei der Lohngleichheit, der gerechten Entlöhnung von Care-Berufen und einer genügenden Altersabsicherung haben wir nach wie stossende Ungleichheiten. Es gibt zu wenige und zu teure Angebote an familienergänzenden Betreuungsangeboten. Frauen* sind zu wenig vor Gewalt, sexueller Belästigung und verbalen Angriffen geschützt. Zum 8. März erneuern wir einmal mehr unsere Forderungen. Den Finger legen wir dabei auch auf aktuelle Projekte: AHV21, Revision der beruflichen Vorsorge, Sexualstrafrecht: Konkret: Hände weg vom höheren Frauenrentenalter, endlich bessere Renten bei Teilzeitarbeit in der 2. Säule und Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung im Sexualstrafrecht.

 

Dieser Text ist am 7. März als Kolumne auf Die Ostschweiz erschienen.