Referat von Barbara Gysi, Nationalrätin SG, Vizepräsidentin SP Schweiz
Das Vermögen in der Schweiz ist höchst einseitig verteilt und dies akzentuiert sich immer mehr. Auf der anderen Seite stagnieren die Löhne im unteren und mittleren Segment und die Kaufkraft sinkt. Im Klartext heisst das einige Wenige werden immer reicher, der grosse Rest verliert oder bleibt stehen.
Laut «Bilanz» hat sich das Vermögen der 100 Reichsten im Land in den letzten 20 Jahren mehr als verfünffacht – von 66 Milliarden Franken 1989 auf 358 Milliarden Franken 2009. Ein Zehntel Promille der Zürcher Steuerpflichtigen besass 2003 74% des gesamten Vermögens, 1991 waren es noch 66% (vgl. Hans Kissling, Reichtum ohne Leistung, S. 25). Von den rund 40 Milliarden Franken, die im Jahr 2010 vererbt wurden, gehen mehr als die Hälfte an Millionär/innen.
Wer schon hat, dem wird nochmals gegeben. Und auch künftig wird es in der Schweiz viel zu erben geben. Laut Reichtumsstudie besitzt derzeit die Generation der über 65-Jährigen mehr als die Hälfte der privaten Vermögenswerte im Land. Rund 178’000 Personen werden voraussichtlich in den nächsten 30 Jahren mindestens eine Million Franken – oder zusammen fast eine Billion Franken – erben. Rund 50 Personen werden voraussichtlich eine Erbschaft von mehr als einer Milliarde Franken zugesprochen erhalten. Daher erstaunt es auch nicht, dass von den 300 reichsten Schweizer/innen die Hälfte durch Erbschaften reich geworden ist.
Eine Ursache der Vermögensakkumulation sind die Erbschaften. Infolge des unsäglichen Steuerwettbewerbs unter den Kantonen schaffte ein Kanton nach dem anderen die Erbschaftssteuer ab, mit der Folge dass einerseits in den Kantonen die erhofften Zuzüge ausblieben und ihnen nun wichtige Einnahmen fehlen – exemplarisch zeigt sich da mein Wohnkanton Kanton St. Gallen, der der Abschaffung der kantonalen Erbschaftssteuern als Vorreiter agierte und heute mit enormen Finanzproblemen kämpft. Andererseits werden grosse Vermögenswerte steuerfrei an Nachkommen, die zumeist wohlhabend und schon im Pensionsalter sind, vererbt, womit sich die Ungleichverteilung der Vermögen weiter verschärft.
Die nationale Erbschaftssteuer ist gerecht,
denn sie schafft die steuerliche Gleichbehandlung schweizweit in dieser Frage.
denn wer erbt, hat nicht aktiv zu diesem Vermögen beigetragen.
denn sie besteuert weder den Konsum noch die Arbeit.
denn sie soll Vermögen bis 2 Millionen Franken ausnehmen und für KMU und Landwirtschaftsbetriebe spezielle Bestimmungen schaffen.
weil die ungleiche Vermögensverteilung gebremst werden kann.
Die nationale Erbschaftssteuer verbessert die Chancengleichheit,
denn ein Drittel der Einnahmen soll den Kantonen zufliessen und deren Ausfälle durch die Abschaffung kompensieren.
weil der Bundehaushalt bei der AHV-Finanzierung entlastet wird und andere Bereiche gefördert werden können.
und fördert die Generationensolidarität, weil sie die jüngere, arbeitstätige Bevölkerung entlastet.
Mit der Einführung einer moderaten nationalen Erbschaftssteuer wird die Verteilungsgerechtigkeit in der Schweiz verbessert, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu beeinträchtigen. Es kann ein wichtiger Beitrag zur soliden Finanzierung der AHV geleistet werden, ohne dass Arbeit oder Konsum steuerlich belastet werden müssen.
Ergänzende Grafiken zur ungleichen Vermögensverteilung (Quelle der beiden Grafiken: SGB Verteilungsbericht 2012, Seite 50)