Am Parteitag am 3. Dezember 2016 diskutiert die SP Schweiz ausführlich über eine andere, demokratischere Wirtschaft für alle statt für wenige. Wie eine solche Wirtschaft erkämpft werden kann und wie sie aussehen soll, lässt sich am Beispiel des Service Public veranschaulichen.

Die Schweiz hat eine uralte demokratische Tradition. Nicht nur wegen Landsgemeinde und ausgebauter Volksrechte, sondern auch dank tief verankerter wirtschaftsdemokratischer Prinzipien. Unsere starke, gemeinwirtschaftliche Wirtschaft wurde über Jahre entwickelt und ausgeweitet und war im Interesse der überwiegenden Mehrheit der Menschen in diesem Land. Klar gehören die SBB und die Post, aber auch die SRG, die Swisscom, die öffentliche Wasser,- Energie- und Gesundheitsversorgung und unser Bildungssystem zur politischen und kulturellen Identität der Schweiz. Dem Service Public ist es zu verdanken, dass in der Schweiz breite Schichten am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, die soziale Durchlässigkeit relativ hoch ist und ein gesellschaftlicher Zusammenhalt besteht. Ohne die Gründung der Schweizerischen Bundesbahnen gäbe es die moderne Schweiz nicht, ohne die SRG keinen nationalen Zusammenhalt der vier Landesteile und ohne öffentliche Wasser-, Energie- und Gesundheitsversorgung keinen so hohen Lebensstandard.

Die ökonomische Logik des Service Public ist simpel und einleuchtend: Während ein kommerzielles Unternehmen in der Regel ein zentrales Interesse hat, nämlich den Profit seiner Eigentümer, so haben Service-Public-Unternehmen den Interessen der Allgemeinheit zu dienen. Und das Interesse der Öffentlichkeit an ihrem Eigentum ist eben nicht immer finanziell, sondern sehr vielfältig. Klar ist eine Poststelle im Oberengadin aus einer Profit-Logik nicht zwingend rentabel, aber sie entspricht den Bedürfnissen der Menschen. Genau diesen unterschiedlichen Bedürfnissen wird heute aber zu wenig Rechnung getragen. Teilprivatisierungen und renditeorientiertes Denken in den Teppichetagen haben dazu geführt, dass heute auch in den Service-Public-Betrieben die Rentabilität im Vordergrund steht. Und genau hier setzt das Papier „Eine Zukunft für alle statt für wenige – Eine demokratische, ökologische und solidarische Wirtschaft zum Durchbruch bringen“ an, das am diesjährigen SP-Parteitag diskutiert wird. Das Volkseigentum der öffentlichen Betriebe erlaubt es uns nämlich mehr Demokratie und damit bessere Entscheide für die Mehrheit der Menschen durchzusetzen und Vorbilder für die Privatwirtschaft zu schaffen. Wirtschaftsdemokratisch handeln bedeutet, möglichst alle Betroffenen resp. Anspruchsgruppen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und damit auch gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Hierfür müssen Strukturen entsprechend gestaltet sein. Beispielsweise müssen Gesetze für Service-Public-Unternehmen die Mitbestimmung der Belegschaften, der Mitarbeitenden festhalten. Aber auch KonsumentInnen müssen besser als heute einbezogen werden. Etwa indem, wie in jedem demokratischen System, auch Mitbestimmung in den Führungsgremien möglich ist und vom Personal und den KundInnen gewählte VertreterInnen darin sitzen.

Die Debatten der letzten Monate und Jahre um den Service Public zeigen es: Die öffentliche Wirtschaft geniesst in der Schweiz nach wie vor einen hohen Rückhalt. Die Kommerzialisierungsstrategien des Managements haben aber auch Vertrauen zerstört. Um dieses Vertrauen zurückzugewinnen und die Zufriedenheit der Menschen zu erhöhen, braucht es mehr demokratische Legitimation. Dies ist das beste Rezept gegen neoliberale Privatisierer und Leistungsabbauer. Denn die Schweiz braucht nicht weniger, sondern mehr Service public.

Im Gesundheitsbereich zeigt sich das Fehlen solcher Service public-Betriebe heute besonders eklatant. Kommerzielle Anbieter drängen in einen Markt, der alle betrifft, aber je länger je teurer wird. Statt guten Pflegeleistungen für die PatientInnen und würdigen Arbeitsbedingungen für die Pflegenden stehen immer mehr hohe Kosten und Rationalisierung im Vordergrund. Gleichzeitig wollen kommerzielle Anbieter satte Gewinne machen. Hier braucht es Abhilfe. Durch öffentliche oder genossenschaftliche Unternehmen, am dringendsten in der Langzeitpflege, kann eine wohnortsnahe, bedürfnisgerechte Versorgung erhalten oder geschaffen werden. Und durch neue wirtschaftsdemokratische Modelle können gleichzeitig Leuchtturm-Projekte für eine solidarische und ökologische Wirtschaft geschaffen werden.

2010 bekräftigte die SP mit der Verabschiedung ihres Parteiprogramms für eine „sozial-ökologische Wirtschaftsdemokratie“ ihren Willen zur Veränderung hin zu einer Wirtschaft für alle statt für wenige – so, wie sie es seit ihrer Gründung vor 128 Jahren tut. Das am Parteitag 2016 zu diskutierende Papier legt den Fokus auf konkrete Massnahmen auf kommunaler, kantonaler und eidgenössischer Ebene hin zu mehr Wirtschaftsdemokratie. Im grossen, etwa durch eine andere Finanzmarkt- und Wirtschaftspolitik , aber eben auch im Kleinen: auf Ebene der von Stadt und Gemeinde. Auch hier gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte: Etwa wenn es um lokale Alters- und Pflegeheime oder die Spitex geht. Wenn es darum geht, gegen Spitalprivatisierungen zu kämpfen und stattdessen Mitarbeitende besser einzubeziehen. Oder in dem wir bei der Stärkung der Rechte von Patienten oder Postkundinnen ansetzen oder die kommunale Stromversorgung ökologisch gestalten. Genau diesen Gestaltungsraum, den das öffentliche oder gemeinschaftliche Eigentum bietet, ist eine Chance für eine solidarischere und ökologischere Wirtschaft. Nutzen wir ihn in Zukunft noch verstärkt!

Dieser Text erscheint auch im espress SP Schweiz und auf  www.wirtschaftsdemokratie.ch