Rede zum 1. Mai 2012 der SP Wil und Toggenburg – gehalten am 1. Mai 2012 in Bazenheid
Mehr Schutz – Mehr Lohn – Mehr Rente
von Barbara Gysi, Nationalrätin SP
Der 1. Mai – unser Fest- und Kampftag für internationale Solidarität, Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich. In vielen Orten und Städten versammeln sich Menschen, die für diese Werte einstehen und die geltende Ordnung verändern wollen. Verbinden wir uns – denn gemeinsam sind wir stark und verfolgen eine Idee. Es braucht die gemeinsame Kraft und den Widerstand. Das Wirtschafts- und Finanzssystem weltweit ist in desolater Verfassung. Gierige Manager und Finanzjongleure verhalten sich wie im Selbstbedienungsladen. Doch nicht nur der Umgang mit den Menschen muss gerechter und solidarischer werden, auch der Umgang mit unserem Lebensraum und den natürlichen Ressourcen. So kann es nicht weitergehen.
Wir leiden derzeit stark mit den Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, den Folgen bürgerlicher Machtgelüste und falscher Entwicklungen. Die Lohn- und Einkommensverhältnisse sind ungleicher denn je, die Lohnschere tut sich weiter auf.
Ein Jahr nach Fukushima ist die Energiefrage nach wie ungelöst. Nur zögerlich ist man unterwegs. Der Umbau unserer Energieversorgung muss schneller erfolgen, unsere Atomkraftwerke müssen abgestellt werden und neue erneuerbare Energie rascher und wirkungsvoller gefördert werden. In Deutschland produzieren an einem sonnigen Tag die Solaranlagen bereits jetzt 20 Prozent des notwendigen Stroms und durchschnittlich 4 Prozent. Und bei uns. Gerade mal 2,5 Mio. Franken Fördermittel jährlich hat der Kantonsrat St. Gallen letzte Woche bewilligt. Unsere Initiative zur Energiewende ist darum dringend. Unterschreibt sie noch heute – wenn ihr es noch nicht getan habt. ( http://www.sp-sg.ch/Demokratie/Initiativen/Kantonal-Energiewende-St.Gallen-kann-es )
Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit. Die gewerkschaftlichen Forderungen
Mehr Schutz – Mehr Lohn – Mehr Rente
will ich ins Zentrum meiner Rede stellen. Gerade hier in Bazenheid, einem Ort mit vielen Arbeitsplätzen für wenig Qualifizierte sind unsere Forderungen doppelt notwendig.
Der SGB-Verteilungsbericht 2012 zeigt es auf: Hohe Einkommen verdienen 33 Prozent mehr (seit 1994), kleine Einkommen lediglich 9 Prozent mehr. Die Reichen werden immer reicher und die Armen bleiben stehen. In der Schweiz besitzt 1 Prozent der Bevölkerung soviel wie die übrigen 99 Prozent zusammen. Und die Entwicklung wird immer drastischer. Wird die Schweiz bald zum Feudalstaat ? Der Kapitalismus hat versagt, Umdenken ist angesagt. Dies sehen mittlerweile auch Wirtschaftsvertreter, doch ändern tut sich wenig. Weiterhin bezahlt man sich in Chefetagen Boni und Höchstsaläre aus, schüttet Dividenden aus und baut gleichzeitig Arbeitsplätze ab – so wie eben Merck Serono in Genf, 20 Prozent Dividende und gleichzeitiger Stellenabbau von über 1300 Stellen.
Der hohe Frankenkurs wird schamlos ausgenutzt um Löhne zu drücken und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Die Arbeitnehmenden müssen für gleich viel oder weniger Lohn mehr arbeiten. Gleichzeitig schreibt ein Teil dieser Firmen Gewinne. Ein unglaublicher Skandal. Die Arbeitnehmenden bezahlen die Konsequenzen des stark unterbewerteten Frankens. Die Nationalbank muss im Gesamtinteresse unseres Landes eine aktive Geldpolitik machen und den Franken schwächen. Der jetzige Kurs von 1.20 schadet uns und muss darum dringend nach oben korrigiert werden.
Ende letzten Jahres erschien das Steuermonitoring 2011 Kanton St. Gallen vom Institut für Finanzwissenschaft und Finanzrecht der Universität St. Gallen. Es zeigt eindrücklich das Auseinanderdriften. Der Kanton St. Gallen ist steuerlich für Topverdienende äusserst attraktiv, während dem der Mittelstand überdurchschnittlich hoch belastet wird. Fazit: die Topverdienenden werden geschont und häufen weiter Vermögen an statt sich angemessen zu beteiligen. Doch die bürgerliche Politik verweigert sich eine anständige Finanz- und Steuerpolitik zu machen, doch auch unser Projekt einer nationalen Erbschaftssteuer zielt in die richtige Richtung.
Mehr Schutz
Der Schutz der Arbeitnehmenden ist zentral. Weder dürfen AktivistInnen, Gewerkschaftsvertretende und Menschen, die sich für sich und andere am Arbeitsplatz einsetzen, Diskriminierungen erfahren oder gar die Stelle verlieren. Doch passiert dies immer wieder. Doch geht es auch um Schutz vor Lohndruck. Wir haben immer gekämpft für starke flankierende Massnahmen bei den bilateralen Verträgen. Die Anrufung der Ventilklausel ist ein Placebo – dieser Schritt beschert uns Probleme mit der EU, nützt aber im Kampf gegen Lohndumping nichts. Viel wichtiger ist es, dass wir dem Lohndruck entgegenhalten, statt die Arbeitnehmenden aus den EU-Staaten zu verteufeln. Was wir brauchen, sind wirksame Sanktionen gegen lohndumpende Firmen. Weil es schwierig ist bei ausländischen Firmen Bussen einzuziehen, müssen wir GAV-Kautionen einführen. Scheinselbständige müssen entlarvt werden. Und es braucht endlich eine bessere Kontrolle von Subunternehmen. Letztes gab es einen Lohndumping-Skandal auf einer Baustelle des Kantons am oberen Graben in St. Gallen (Verwaltungsbau für das St. Galler Sicherheits- und Justizdepartement). Hier hatte eine St. Galler Gipserfirma eine Auftrag untervergeben, worauf polnische Gipser zu miesen Löhnen weit unter Fr. 3000 pro Monat arbeiteten. In diesem Fall ist man nach dem Aufdecken zwar eingeschritten, doch ist die St. Galler Regierung nicht bereit mit weiteren Massnahmen zukünftigen Missbräuchen vorzukehren.
Mehr Lohn
Bereits kurz nach der Bankenkrise haben sich die Topmanager bereits wieder Boni und Topsälare ausbezahlt; die Löhne der Arbeitnehmenden hingegen stagnieren und können nicht Schritt halten z.b. mit den steigenden Krankenkassenprämien und Mieten. Eine vierköpfige Familie mit hohem Einkommen hatte 2010 real 15‘000 Fr. mehr an frei verfügbarem Einkommen als im Jahr 2000; die gleiche Familie mit kleinem Einkommen jedoch nur 1‘300 Fr. – da bleibt immer weniger zum Leben. Das muss korrigiert werden.
Die gleichen Manager, die uns weis machen wollen, dass es jetzt nicht drin liege höhere Löhne zu zahlen, zocken bereits wieder Boni ab. Doch wir brauchen höhere Löhne in unteren und mittleren Bereich. Unser Projekt Mindestlohn-Initiative ist dazu ein wichtiges Mittel, Anfang Januar 2012 haben wir rund 112‘000 Unterschriften eingereicht. 400‘000 Arbeitnehmende mit miesen Löhnen profitieren direkt von der Mindestlohninitiative. Sie hilft gegen Lohndruck, besonders stark profitieren auch Frauen – denn noch immer sind sie besonders stark diskriminiert. Noch immer sind wir weit entfernt von „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ – verdienen doch Frauen immer noch 18,4 Prozent weniger als Männer. Neben der Forderung der Erhöhung der (Frauen)löhne müssen wir weiterhin Druck machen für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Davon profitieren nicht nur die Frauen, doch ermöglicht es insbesondere ihnen auch einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Wir brauchen mehr und vor allem bezahlbare Betreuungsangebote für Kinder, rund 30 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren fehlt ein Betreuungsplatz, so dass sie keiner ausserhäuslichen Erwerbsarbeit nachgehen können. Im Zuge der demografischen Entwicklung muss aber auch das Thema Betreuung und Pflege im Alter ausgebaut werden, denn viele Frauen sind auch dort stark gefordert.
Mehr Rente
Wir fordern die Einführung der „AHVplus“. Rund ein Viertel der RenterInnen muss mit rund 3000-3500 Franken monatlich auskommen. Das ist sehr knapp und der Bundesverfassung „Fortsetzung der bisherigen Lebenshaltung“ kann nicht angemessen nachgelebt werden. Wir fordern darum, dass Menschen mit vormaligem Erwerbseinkommen bis 5000 Franken monatlich eine Rente von 80 Prozent zu Gute haben statt der bisherigen Ersatzquote von 60 Prozent. Denn immer wieder wird an den Renten geschraubt. Wir lassen es nicht zu, dass Menschen im Alter, die ihr ganzes Leben gearbeitet und „gechrampft“ haben, ausgegrenzt werden. Sie sollen in Würde altern können.
Engagierte der Partei und Gewerkschaften, kämpft mit uns für unsere Projekte – doch jetzt lasst uns gemeinsam den 1. Mai feiern !