Seit Anfang 2011 ist die neue Pflegefinanzierung in Kraft. Bereits jetzt zeigt sich, dass die Ziele nur teilweise erreicht werden und vermehrt Kosten auf die Gemeinden und die Betroffenen zukommen. Die Pflegefinanzierung war auf Bundesebene geschaffen worden, um Menschen in der Pflegebedürftigkeit besser zu unterstützen und zu verhindern, dass sie auf Grund ihrer Pflegebedürftigkeit Sozialhilfeabhängig würden. Das Bundesgesetz liess allerdings viele Details offen und in den Kantonen entstanden unterschiedliche Regelungen.
Podium im St. Galler Tagblatt, erschienen 6. Juli 2012
Als Stadträtin und Vorstandsmitglied von CURAVIVA St. Gallen bekomme ich einige Probleme in der Umsetzung direkt mit und erlebe die Auswirkungen auf die betroffenen Menschen. Dabei stehen zwei Probleme im Vordergrund: Die ausserkantonalen Pflegeheimaufenthalte und die Gefahr von Sozialhilfeabhängigkeit.
Im Bundesgesetz ist nicht konkret geregelt, wie mit Pflegeheimaufenthalten in einem anderen Kanton umgegangen wird. Denn nicht jede Person tritt in ein Pflegeheim in ihrem Wohnkanton ein. Oftmals führen familiäre Gründe zu einem ausserkantonalen Heimeintritt, manchmal schlicht auch die Verfügbarkeit eines freien Platzes. Ein Pflegeheimaufenthalt begründet keinen Wohnsitz, das bedeutet für Leistungen der Ergänzungsleistungen ist der ursprüngliche Wohnsitzkanton zuständig. Im Falle der Krankenversicherung, zb. für die Krankenkassenprämien, ist der Aufenthaltsort massgeblich. Und was gilt nun für die Pflegefinanzierung ? Da fängt der Streit an, mit der Konsequenz, dass die Betroffenen oftmals einen „Ämterlauf“ absolvieren und die Pflegeheime auf die Bezahlung der Rechnungen warten müssen, wenn die betroffenen Heimbewohnenden finanziell keinen Spielraum haben. In Einzelfällen werden Lösungen gefunden, eine formelle Lösung ist bis heute nicht in Sicht. Auch bei ambulanten Pflegeleistungen ergeben sich Probleme. Wer ist für die Restfinanzierung zuständig, wenn jemand am Ort der Leistungserbringung keinen Wohnsitz hat.
Ein erklärtes Ziel der Pflegefinanzierung war, dass pflegebedürftige Personen für den Aufenthalt im Pflegeheim nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein sollen. Den Kantonen wurden für die Umsetzung jedoch weitgehende Kompetenzen erteilt. Bereits jetzt muss festgestellt werden, dass dieser wesentliche Grundsatz nicht umgesetzt wird. Die Gründe dafür sind vielfältig, oftmals ist es auch der Spardruck auf die Sozialwerke generell. Im Kanton St. Gallen sind mir verschiedene Fälle bekannt, in welchen die von den Ergänzungsleistungen übernommenen festgesetzten Obergrenze für Pension und Betreuung überschritten werden und in diesen Fällen wieder die Sozialhilfe herangezogen werden muss. Bereits gibt es bereits Strategien zur Vermeidung von Sozialhilfebezug, obwohl dieser notwendig wäre. Entweder tragen die Bewohnenden die zusätzliche Belastung, in dem sie eine Einschränkung beim Betrag für den persönlichen Bedarf in Kauf nehmen oder gewisse Heime stellen keine Rechnungen, die über den durch die Ergänzungsleistungen finanzierten Betrag hinausgehen, dies mit der Folge, dass es hier wiederum zu Quersubventionierungen kommt und die Kostentransparenz untergraben wird. Oder eben die Sozialhilfe muss die Differenz tragen. Dabei muss festgehalten werden, dass es sich nicht um besonders teure Heime handelt. Doch wenn die Vollkosten inkl. Amortisation der Bauten verrechnet werden müssen, ist die Obergrenze rasch erreicht.
Daher ist Handlungsbedarf klar gegeben. Einerseits muss der Bundesgesetzgeber überprüfen, inwiefern die Ziele erreicht werden und zusätzliche Vorgaben machen. Auf der anderen Seite muss der Kanton St. Gallen über die Bücher und die EL-Obergrenzen anpassen. Schliesslich macht er auch Vorgaben punkto Qualität, Betreuung und Raumprogramm.