Die Krise zeigt glasklar, wie dringend Verbesserungen im Pflegeberuf sind. Die Politik weiss das

schon länger – nun muss endlich gehandelt werden!

Die ersten Schritte aus dem Lockdown sind gemacht und in gewissen Bereichen kehrt langsam eine Art Normalität ein. Doch werden die Auswirkungen der Corona-Krise noch länger spür- und sichtbar bleiben. Neben den wirtschaftlichen Folgen werden viele, auch emotionale Momente nachhallen. Etwa Bilder aus Intensivstationen, wo sich Pflegefachpersonen bis zur Belastungsgrenze um schwerkranke Covid-Patientinnen und -Patienten gekümmert haben. Zu Recht werden die Pflegenden als Heldinnen und Helden dieser Krise bezeichnet. Nicht nur sie: Viele andere Arbeitnehmer leisteten einen immensen Beitrag, damit das Leben trotz Krise weiter funktionierte.

 

Ich möchte mich hier auf die Pflege konzentrieren. Wie systemrelevant dieser Beruf ist, erleben wir hautnah. Es ist eine anspruchsvolle Arbeit. Pflegende retten Leben und begleiten schwerkranke Menschen, auch im Sterben: in Spitälern, in den Langzeitinstitutionen oder in der Spitex. Professionalität, Empathie und grosse Flexibilität – das sind wichtige Anforderungen an die Menschen, die diesen Beruf ausüben.

 

Weder Schutzmaterial noch Schutz durch Arbeitsgesetz

Dass mitten in der Corona- Krise das Arbeitsgesetz ausgesetzt wird, die anstrengenden 12-Stunden-Schichten noch länger werden und die zur Erholung nötigen Freitage gestrichen werden können, ist nicht akzeptabel. wäre. Sichere Pflege kann nur erbracht werden, wenn das Personal Zeit hat und ausgeruht ist. Und wirksam geschützt: Dass zum Teil nicht genügend Schutzmaterial zur Verfügung stand, ist ein Skandal.

 

Am 27. März applaudierte die Bevölkerung und bedankte sich so für die lebenswichtige und tolle Leistung der Pflege: Ausdruck von Wertschätzung und Zusatzmotivation, weiter schier Unmenschliches zu leisten. Doch Applaus reicht nicht. Im April hat der VPOD eine Petition gegen die Ausweitung der Arbeitszeit lanciert und eine Risikoprämie gefordert. Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK hat in einem offenen Brief ans Parlament nachdrücklich Verbesserungen für den Pflegeberuf verlangt.

 

Es ist nicht so, dass das Problem der Politik nicht bekannt wäre. Zahlreiche Studien zeigen, dass wir in der Schweiz viel zu wenig Personal ausbilden, beim diplomierten Pflegefachpersonal beispielsweise nur 43 Prozent der benötigten Fachleute. Dass wir viel zu wenige Intensivpflegefachpersonen haben, hat gerade die ganze Schweiz gemerkt.

 

Und es gibt nicht einmal eine Statistik dazu. Wir führen schwarze Listen, wenn jemand die Krankenkassenprämien nicht bezahlt, registrieren Hunde, Kühe und Schafe, zählen Hochstammbäume – aber wir wissen nicht, wie viele Personen ein Nachdiplomstudium in Intensivpflege absolviert haben. Ein grosses Problem ist weiter, dass die ausgebildeten Pflegefachpersonen oft nach wenigen Jahren frustriert oder ausgebrannt aus dem Beruf aussteigen.

 

Mangel besteht auch in anderen medizinischen Berufen. Wir bilden zu wenig Ärztinnen und Ärzte aus und rekrutieren zum Teil die Hälfte des Gesundheitspersonals im Ausland, viele pendeln täglich aus dem nahen Ausland zu uns. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn unsere Nachbarländer ihre Gesundheitsfachleute selber hätten einsetzen wollen oder müssen!

 

Jetzt Nägel mit Köpfen machen

 

Es ist dringend notwendig, dass wir genügend Pflegende ausbilden und ihre Löhne und Arbeitsbedingungen verbessern. Es braucht höhere Löhne, namentlich für die Fachpersonen, die lange und anspruchsvolle Ausbildungen absolviert haben. Es braucht für diesen mehrheitlich von Frauen ausgeübten Beruf griffige Massnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es braucht Personalschlüssel, die festlegen, für wie viele Patienten eine Pflegefachperson maximal zuständig ist, um die Sicherheit zu gewährleisten. Es braucht die Aufwertung der Pflegefachpersonen als eigenständige Leistungserbringerinnen im KVG.

 

Die Forderungen liegen schon lange auf dem Tisch. Im November 2018 wurden 114 078 Unterschriften für die Pflegeinitiative eingereicht, im Dezember 2019 hiess der Nationalrat einen indirekten Gegenvorschlag dazu gut. Er zielt zwar in die richtige Richtung, ist aber in erster Linie eine Ausbildungsoffensive. Der Ständerat muss zwingend die Aspekte der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsplatzqualität aufnehmen und den Gegenvorschlag verbessern.

 

Damit wir für die Zukunft gerüstet sind, brauchen wir eine starke Pflege. Das haben nun hoffentlich alle gemerkt.

 

Dieser Text ist im Spendenmagazin Solidarisch der SP Schweiz erschienen.