Derweil wir über das Referendum gegen die Versicherungsdetektive abstimmen, kommen weitere Vorlagen ins Parlament, die auf den massiven Druck der Versicherungen und aller bürgerlichen Parteien zustandekommen. Jetzt sind vor allem die Krankenversicherer und Zusatzversicherungen zu den Krankenkassen am Drücker.
Alle Versicherten ab 18 Jahre werden von höheren Franchisen in der obligatorischen Grundversicherung betroffen sein. Auf Druck des Parlaments und der Krankenkassen hat der Bundesrat eine Vorlage gebracht, die die Erhöhung der ordentliche Franchise der Teuerung anpassen will. Damit wird die ordentliche Franchise von 300 Franken in 50 Frankenschritten erhöht werden. Dies obwohl, seit Einführung des KVG die Franchise bereits um 100% erhöht wurde und die Kosten sich bei Weitem nicht verdoppelt haben. Damit werden die Leute noch stärker belastet. In der Schweiz bezahlen wir schon heute mit Abstand den höchsten Anteil der Gesundheitskosten aus dem eigenen Sack, mit dieser automatischen Anpassung wird es noch mehr werden. Vor allem Leute, die ein kleines Budget haben, Chronisch Kranke und ältere Menschen werden dabei besonders zu Kasse gebeten, denn sie entscheiden sich in der Regel für die ordentliche Franchise. Zweimal wurde diese seit 1996 schon erhöht, im Jahre 1998 auf 230 Franken und 2003 auf 300 Franken. Diese Erhöhungen haben aber keine klaren Erkenntnisse gebracht, dass die Menschen deswegen weniger Krankheitskosten verursacht hätten. Es ist eine nicht belegte Behauptung eine höhere Franchise würde die Selbstverantwortung stärken. Weil die Bürgerlichen davon dieser Mähr aber überzeugt sind und ihnen der Bundesratsvorschlag zu wenig weit geht, haben sie in der Kommissionssitzung grad noch einen drauf gesetzt und verlangen per Motion eine ordentliche Franchise von 500 Franken. Unsozialer geht es nicht im Kopfprämiensystem.
Doch auch diejenigen, die sich für eine höhere Wahlfranchise entschieden haben, sollen in Zukunft härter angefasst werden. Neu wird die Wahlfranchise zu einem regelrechten Knebelvertrag, denn sie kann nur noch alle drei Jahre gewechselt werden. Auch hier wird behauptet, es würden sehr viele wechseln, wenn höhere Kosten absehbar seien und sie missbrauchten damit die Solidarität. Schaut man die Zahlen einer Studie von B,S,S an, so stellt man fest: In den Jahren 2014 und 2015 wechselten 3,4% in eine höhere Franchise und lediglich 1,8% aus einer höheren Franchisenstufe zurück in eine tiefere. Dass hier Missbrauch betrieben werden könnte, ist absurd und lässt sich definitiv nicht begründen. Es geht einzig und allein darum, dass die Krankenkassen ihre Kundschaft zwangsweise an sich binden will.
Der «dritte Streich» passiert im Versicherungsvertragsgesetz. Zukünftig sollen die Zusatzversicherungen von den Versicherungen einseitig angepasst, sprich verschlechtert, werden können. Das betrifft alle, die Leistungen ausserhalb der Grundversicherung in der Krankenversicherung absichern, wie etwa halbprivat und privatversichert im Spital oder etwa zusätzliche alternativmedizinische Leistungen. Je älter man ist, desto weniger wird man sich hier wehren und die Zusatzversicherung wechseln können. Somit ist man seiner Versicherung ausgeliefert sein und muss happige Änderungen hinnehmen!
Drei deftige Vorlagen, die allesamt nach Referendum riechen. Die KVG-Änderungen mit den Franchisen kommen definitiv in der Wintersession in den Nationalrat, während dem das Versicherungsverwaltungsgesetz, eine sehr umfassende Vorlage möglicherweise erst im Frühling in den Nationalrat kommt.
Im Wahljahr ist ein Thema gesetzt: Die Gesundheitspolitik. Sie steht im Sorgenbarometer zuoberst und wird auch im Parlament heisse Debatten bringen. Wir werden die Versicherungslobby hart attackieren und stoppen, denn sie ist masslos und unverschämt. So sitzen die Präsidenten von Santésuisse und Curafutura im Parlament, aber auch zahlreiche VerwaltungsrätInnen, Präsidenten oder Beiräte von Visana, Helsana, Group Mutuel, KPT, CSS, Sanitas, Adrosana, Agrisana. Auch andere Versicherungen wie Baloise sind vertreten. Sie alle nehmen direkt Einfluss und zwar schon in den Kommissionen. Nur selten tritt jemand ein Lobbyamt nicht an, wie kürzlich Philippe Nantermod, der auf massiven Druck hin, das Beiratsmandat von Group Mutuel (10’000 Franken für 4 Sitzungen) nicht antrat.
Text zuerst erschienen im Links der SP des Kantons St. Gallen